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Während die Welt schlief

Während die Welt schlief

Titel: Während die Welt schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Abulhawa
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allein die Träume meines Vaters aufrechterhielt, und zwar alle.
    Ich hatte jetzt nur einen Wunsch: Baba wiederzusehen.
    Die gute Nonne – ihr Name war Schwester Marianne – ging
mit Aisha in den Armen neben uns her. Ehe wir die Zeltklinik erreichten, wurden wir von einem Soldaten angehalten – dem ersten israelischen Soldaten, den ich je aus der Nähe gesehen hatte. Er war sehr groß. Ich musterte ihn von unten bis oben. Als meine Augen bei seinem Helm angelangten, musste ich sie zukneifen, weil die Sonne mich blendete.
    »Sie können das Kind nicht dorthin bringen«, sagte der Soldat in undeutlichem, gebrochenem Arabisch.
    »Warum nicht?«
    »Wegen der Reporter.«
    »Sie haben Angst, dass die Welt sehen könnte, was Sie den Kindern antun?«
    »Halten Sie den Mund. Ich erschieße Sie auf der Stelle, wenn Sie es darauf anlegen«, warnte er und hob mit einem seltsamen Lächeln sein Gewehr.
    Unbeeindruckt antwortete sie: »Nur zu. Sie sind nicht anders als die Nazis, die sich mir in den Weg stellten, als ich im Zweiten Weltkrieg Juden beigestanden habe.« Ihre Augen wurden schmal, als sie seinen Akzent erkannte, und sie wechselte in eine Sprache, die sie beide kannten. Seine Augen weiteten sich vor Überraschung, dann antwortete er in derselben Sprache und ließ uns schließlich mit einem Kopfnicken passieren.
    »Bringen Sie die Mädchen auf Station drei«, befahl Schwester Marianne den freiwilligen Helfern. Als wir den Soldaten passierten, blickte ich von der Trage auf und erhaschte einen flüchtigen Blick auf seine Augen. Blau wie der Himmel.
    Huda und ich wurden wegen kleinerer Schnitte behandelt. Ihre Kopfwunde wurde mit ein paar Stichen genäht. Wahrscheinlich war herabfallender Schutt die Ursache gewesen. Ich erspähte Mama im Behandlungszelt und stürzte voller Sehnsucht nach einer Umarmung auf sie zu. Sie saß bewegungslos in einer Ecke, genauso wie ich sie auf dem Boden hatte sitzen
sehen, als ich in der Küchengruft aufgestanden war. Ich blieb stehen. Ich stand vor ihr, doch ihre großen, leeren Augen sahen mich nicht. Sie schien überhaupt nichts zu sehen.
    »Mama.« Ich berührte sie sanft, doch sie reagierte nicht. Ich näherte mein Gesicht dem ihren, doch sie blickte durch mich hindurch.
    Schwester Marianne kam zu mir und legte ihre Arme um mich – wie gut sich das anfühlte.
    »Kennst du diese Frau?«
    »Ist sie tot?«
    »Nein, Liebes, sie hat einen Schock. Kennst du sie?«, fragte Schwester Marianne noch einmal.
    In diesem Moment erfüllte mich ein verzweifelter Groll. Ich hasste Mama dafür, dass sie einen Schock hatte, was immer das war, dass nicht sie mich umarmte, dass sie immer anders als andere Mütter gewesen war.
    »Nein«, log ich, »ich kenne sie nicht.«
    Ich versteckte mich hinter meiner schändlichen Lüge, um weiter in der Obhut von Schwester Marianne bleiben zu können, und Huda ließ sich von mir leiten. Sie war verwirrt und voller Angst und wollte nur bei mir bleiben.
    Ich erkannte viele Gesichter und versuchte mich daran zu erinnern, wann ich sie zum letzten Mal gesehen hatte. Sumaya lag schlafend auf einer Pritsche, einen blutigen Verband um den Kopf und eine Schiene am Bein. Das letzte Mal hatte ich sie in Khaltu Samihas Haus beim Stillen ihres Babys gesehen, an dem Tag, an dem Aishas Ohrläppchen durchstochen worden waren. Ammu Munir war wach, voller Blutflecken und saß auf einem Stuhl. Ihn hatte ich zuletzt im Beit-Jawad-Kaffeehaus gesehen, arabische Führer verfluchend, die in den Zeitungen zitiert wurden.
    Doch immer noch kein Baba.

    Ich schloss die Augen und ließ sie zu, so lange ich konnte. Wenn ich sie öffnete, dann nur weit genug, um die Bilder aus meinem Kopf zu vertreiben.
    Später nahm Schwester Marianne Huda und mich in einem Laster des Roten Halbmonds mit zu einer langen Fahrt nach Bethlehem. Als wir an einen Kontrollpunkt kamen, mussten wir uns in Lebensmittelkisten verstecken. Glücklicherweise öffneten die Soldaten bloß die Tür, warfen einen kurzen Blick ins Auto und schlossen sie wieder. Als der Lastwagen erneut hielt, standen wir vor einer Kirche, die ich kannte. Baba hatte mir einmal erzählt, dass es sich um die Geburtskirche handelte. Zu einem der christlichen Feste waren wir öfter als Schaulustige angereist. »Es heißt, hier sei Jesus geboren«, hatte Baba zu mir gesagt, geduldig meine endlosen Fragen beantwortend.
    Bethlehem sah genauso aus wie Jenin, verfallen, verbrannt und mit Toten gepflastert. Die Kirche, in der Jesus geboren worden war, hatte

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