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Während die Welt schlief

Während die Welt schlief

Titel: Während die Welt schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Abulhawa
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der Seite Ägyptens. Es wird bald vorbei sein. Alles wird wieder gut.«
    »Mama, wir müssen aufs Klo, und das Baby hat die Windel voll«, flehte ich, aber sie war schon gegangen.

    Schweigend zogen Huda und ich Aisha die Windel aus und vergruben sie unter unseren Füßen. Abwechselnd erleichterten wir uns selbst und bedeckten die Schweinerei mit Erde, die wir von den Wänden des Lochs kratzten. Mama hatte das Loch nicht dicht verschlossen, damit wir Luft und Licht bekamen, doch das Einzige, was eindrang, war eine Staubwolke, und Licht gab es überhaupt keins. Wir hörten Explosionen und Geräusche, die von Panik zeugten, wagten aber nicht, die Abdeckung zu verrücken oder uns zu bewegen.
    Ich glaube, ganze Tage vergingen. Manchmal war das Baby nicht zu beruhigen. Huda und ich fielen vor lauter Angst in sein Schluchzen ein. Das Baby brüllte, bis es nicht mehr konnte. Wir hörten noch mehr Schreie. Jenseits der Abdeckung wimmerten Kinder, die das alles nicht verstanden. Ihre Mütter, die nicht weniger hilflos waren, weinten und beteten laut, als wollten sie durch das Chaos hindurch Gott auf sich aufmerksam machen. Wir hörten, wie Dinge zu Trümmern zerfielen und explodierten. Wir hörten Gesänge. Der Geruch von brennendem Fleisch, gärendem Müll und verbranntem Laub vermischte sich mit dem Gestank unserer eigenen, im Staub vergrabenen Exkremente.
    »Huda, ich glaube, das ist der Tag des Jüngsten Gerichts. Es ist genauso wie im Koran beschrieben.«
    »Oh Gott. Lass uns das Shahada sprechen und um Vergebung bitten.«
    »Aschhadu anna la ilaha illa Allah.« Wir rezitierten die Worte, die uns in den Himmel bringen würden.
    Wir weinten. Unsere Gesichter wurden schwarz, und mit leerem Magen flehten wir um Gottes Gnade.
    »Bitte vergib mir, Gott, dass ich Lamyas neues Kleid mit Schlamm bespritzt habe. Vergib mir, dass …« Ich betete weiter, und Huda fiel ein.

    »Bitte, Gott«, betete Huda, »vergib meinem Vater.«
    Eine laute Explosion riss die Abdeckung über uns weg. Plötzlich war es hell, und Staub und Schutt fielen auf uns herab. Meine Ohren klingelten. Ich schrie und weinte, konnte mich aber nicht hören. Wir kauerten über dem Baby, die Arme schützend über den Kopf gelegt. Ich spähte nach Huda und sah sie schreien. Es war ein stummer Schrei absoluten Entsetzens. Ihr Haar war verfilzt, weiß vor Staub und voller Blut, und ihr Gesicht voller Dreck. Blut troff von ihrer Schläfe. Mein Herz schlug so laut, dass ich es hören konnte. Ba-bumm, ba-bumm. Die Explosion hatte meine Ohren für alles außer dem heftigen Rhythmus meines Herzschlags und dem Gurgeln des Schreckens taub gemacht. Es war eine dichte, alles verzehrende Stille, wie sie im Auge eines Hurrikans oder unter Wasser herrscht.
    Ich sah auf Aisha hinunter. Sie schlief. Ihr Gesicht war ruhig. Engelsgleich. Ihre süßen, kleinen, rosigen Lippen waren leicht geöffnet und fast zu einem Lächeln verzogen. Ich verstand es nicht gleich. Meine Tränen landeten auf ihrem Gesicht, ließen den Schmutz in Streifen auf ihrer Wange verlaufen. Ihr Bauch war ein klaffendes Loch mit einem kleinen Granatsplitter darin. Die ganze Welt presste sich in meinen Herzschlag, als ich das blutige Metallstückchen in die Hand nahm. Wie konnte dieses kleine, leichte Ding sie dermaßen zugerichtet haben? Wie konnte es mit solcher Leichtigkeit ein Leben ausgelöscht haben?
    Ich stand auf, meine tote Cousine im Arm und das Metallstück noch immer in der Hand. Der Küchenboden war auf Höhe meiner Augen gewesen, doch die Küche war nicht mehr da, und wo das Dach gewesen war, konnte ich Himmel sehen. Vor mir lag haufenweise Schutt, teilweise noch schwelend. Ein Mann, den ich als unseren Nachbarn Abu Sameeh identifizierte, grub sich mit blutenden Händen wie wahnsinnig durch einen
Haufen Trümmer. Er verschwand hinter einer Staubwolke, tauchte dann mit einem kleinen Kind in den Armen wieder auf und riss mich mit einem grauenhaften Heulen absoluter Hoffnungslosigkeit aus meiner Trance.
    Wo seine Baracke gestanden hatte und seine Familie bei lebendigem Leib begraben war, stand er am Rand eines Abgrunds im Schutt und weinte verzweifelt mit schmerzverzerrtem Gesicht. Sein erschlafftes Kind umklammernd, hob er den Kopf zum Himmel und ließ ein Wehklagen ertönen, das einem die Haare zu Berge stehen ließ und mit dem er sich dem Schicksal unterwarf.
    Abu Sameeh war ein Flüchtling, der 1948 ganz neu angefangen hatte. Der Feldzug der Israelis hatte seinen Vater und seine vier Brüder das

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