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Während die Welt schlief

Während die Welt schlief

Titel: Während die Welt schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Abulhawa
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Armen auf mich zukam. »Hallo, mein Schatz!«, rief Khaltu Bahiya, Mamas älteste Schwester. Sie lebte in Tulkarem, wo sie als Hausmädchen bei den Siedlern arbeitete. Sofort nachdem sie die Nachricht bekommen hatte, war sie nach Jenin geeilt. Obwohl es weniger als zehn Meilen nach Tulkarem waren, hatte sie drei Tage für den Weg gebraucht. Zweimal hatte man sie am Checkpoint abgewiesen, erst beim dritten Versuch ließen die Soldaten sie passieren. Aber da war Mama schon unter der Erde gewesen. Als Khaltu Bahiya begriff, dass sie ihrer kleinen Schwester keinen Abschiedskuss mehr geben konnte, beschimpfte sie wütend die Soldaten.
    Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Khaltu Bahiya anwesend sein würde, aber ich war unglaublich froh, sie zu sehen. Sie ähnelte meiner Mutter auf frappierende Weise, auch wenn die beiden Frauen jeweils eine ganz individuelle Schönheit besessen hatten. Meine Mutter hatte makellos und unerreichbar gewirkt, wie die einzige Bewohnerin eines verlassenen Schlosses. Die schlichte Schönheit von Khaltu Bahiya dagegen verzauberte einen sofort. Wenn man sie ansah, hatte man das Gefühl, sie bestünde nur aus fröhlichem Lachen. Die Schwerkraft, die Sonne und die Zeit hatten Spuren in den Gesichtern der Schwestern hinterlassen. Man konnte die lebenslange harte Arbeit, die Geburt der Kinder und die Entbehrung daraus ablesen. Aber selbst diese Fältchen unterschieden sich bei den beiden. Bei Khaltu Bahiya waren sie ein Teil ihrer Freude und ihres Schmerzes, die je nach Stimmung sichtbar waren oder nicht. Zarte Linien schmiegten sich um ihre Lippen und ließen ihr Gesicht wie eine geöffnete Blume erscheinen, wenn sie lächelte. Die gleichen Linien hatten bei Mama immer unpassend
gewirkt – als könnte ihre Schönheit keine äußeren Einflüsse vertragen. Mamas Gesicht sah aus wie von Gitterstäben umgeben, hinter denen man eine ewige Wehklage erahnen konnte.
    »Komm her, ya binti.« Haj Salim winkte mich zu sich. Unter seinem ausgestreckten Arm entdeckte ich einen ovalen Schweißfleck in seiner baumwollenen Dishdasha. Nervös setzte ich mich auf ein Kissen zwischen ihn und meinen leidgeprüften Ammu Darwish, der in seinem kaputten, notdürftig mit Klebeband geflickten Rollstuhl hing. Sein jüngstes Kind, mein Cousin Fuad, war krank und schlief fiebernd im Gemeinschaftsraum, darum mussten wir die Stechmücken im unüberdachten Hof ertragen.
    Ammu Jack O’Malley saß gemütlich auf der anderen Seite von Haj Salim. Die beiden kabbelten sich spielerisch darum, wer das Mundstück der Wasserpfeife länger gehabt hatte. »Verdammter Ire.« »Verdammter Palästinenser.« Sie lachten, der eine heiser und zahnlos, der andere wie ein stotternder Motor.
    Sie hatten sich versammelt, um über meine Zukunft zu entscheiden. Das war mir klar.
    »Amal, was vom Leben übrig bleibt, möge Gott an Jahren dir geben. Wir alle fühlen mit dir«, begann Ammu Darwish. Nachdem er mir sein Beileid ausgesprochen hatte, bot er mir ein Zuhause an. Ich konnte bei meinem Onkel wohnen, der seinen armseligen Lebensunterhalt damit verdiente, selbst gefertigten Glasschmuck von seinem verfluchten und zugleich hilfreichen Rollstuhl aus an Touristen zu verkaufen.
    »Du gehörst zur Familie, und ich werde für dich tun, was ich kann«, sagte mein Onkel feierlich.
    »Du kannst auch bei mir in Tulkarem wohnen«, warf Khaltu Bahiya ein. Auch ihr ging die Familie über alles. Obwohl sie
schon fünf hungrige Mäuler zu stopfen hatte, war meine Khaltu auf der Stelle bereit, die Verantwortung für das Kind ihrer Schwester zu übernehmen.
    Die dritte Option war, zu Ammitu Samiha nach Jerusalem zu gehen. Ihre Eltern hatten einst Ari Perlsteins Familie gerettet.
    Ammu Jack beugte sich zu mir. Seine kleinen blauen Augen spähten durch seine Strubbelhaare hindurch. »Es gibt vielleicht noch eine Möglichkeit, Amal«, sagte er und schaute mich durchdringend an. In diesem Moment trat die Umgebung für mich in den Hintergrund, ich nahm weder die Hühner noch die Wasserpfeife wahr. Alles schien den Atem anzuhalten. Ammu Darwish räusperte sich. Haj Salim und Khaltu Bahiya blickten sich erst gegenseitig an, dann auf den Boden. Offensichtlich war Ammu Darwish jetzt an der Reihe zu sprechen.
    »Es gibt eine Schule in Jerusalem, die dich gerne aufnehmen würde«, verkündete er, halb überzeugt, dies sei das Richtige, halb beschämt darüber, dass er selbst mir nichts Besseres bieten konnte.
    »Aber die Entscheidung liegt bei dir«, erklärte Khaltu

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