Während die Welt schlief
gekannt habe. Und so will ich einen weiteren Schwur leisten: Wenn Du mich auch willst, werde ich Dich lieben und schützen für den Rest meines Lebens.
Dein Majid
Amal las den Brief wieder und immer wieder. Bum-bum, bum-bum. Ihr Herz klopfte so heftig vor Liebe wie damals vor Angst.
»Ich würde so gerne ihr Gesicht sehen, wenn sie den Brief liest«, sagte Fatima zu Yussuf. Sie ärgerte sich, weil er ihr nicht verraten wollte, was darin stand. Yussuf wusste es von Majid.
Sie schmollte, halb im Ernst, halb spielerisch. Warum sollte sie als Letzte erfahren, um was es ging? Ihre Augen verengten sich, als ihr ein Gedanke kam. »Wenn du mir nicht sagst, was drinsteht, gehe ich zu Amal in den Hof«, drohte sie ihrem Mann. Sie konnte ein Lächeln nicht verbergen, obwohl sie versuchte, ihre Worte wie ein Ultimatum klingen zu lassen.
»Habibti, bitte bleib bei mir!« Yussuf bettelte wie ein kleiner Junge. Er lag auf dem Bett und hielt Filastin im Arm.
Fatimas Augen drückten noch immer Missfallen aus. Sie rümpfte die Nase. Yussuf beobachtete verzückt, wie ihr Gesicht schließlich von einem freudigen Lächeln übermannt wurde. In einem letzten Versuch, standhaft zu bleiben, biss sie sich auf die Lippe – da war die Schönheit ihres Anblicks zu viel für Yussuf.
»Vielleicht kann das bis morgen warten«, sagte sie und holte ihr Nachthemd aus einer Schublade.
Durch das Baby hatte Fatima ein paar Pfund zugenommen, besonders am Bauch. Darum verbarg sie sich beim Umkleiden hinter der Kommode.
»Geh mit dem Kind weg«, befahl sie Yussuf, als er auf sie zukam.
»Warum? Filastin schläft.«
»Weil ich mich gerade umziehe. Geh weg.« Sie hielt sich das Nachthemd vor den Körper. Der Lichtschalter war außerhalb ihrer Reichweite. Da begriff Yussuf und ging auf die Knie.
»Lass mich dich sehen«, flüsterte er, als er ihr zu Füßen lag. Sie erstarrte und begann zu zittern, als würde er sie zum ersten Mal erblicken und berühren. Langsam glitt ihr das Gewand aus den Händen, während Yussuf seinen Kopf gegen ihre Taille lehnte. Er küsste den Körper, der sein Kind geboren hatte. Ganz langsam liebkoste er Fatimas Kurven, trank das Leben durch die Male ihrer Mutterschaft. Seine Frau bewahrte sein Herz, seine Träume und seine Schmerzen in ihrem Inneren. Das Nachthemd fiel zu Boden, und die Liebe stieg über ihnen empor wie ein warmes Licht, das über ihrer bescheidenen Hütte im Flüchtlingslager leuchtete. Es kam von einem Mann und seiner Frau, die sich liebten, und von der Schwester des Mannes, die ein Liebesversprechen wieder und wieder von vorne las.
28
»Ja«
1981
Z wei Tage später trafen wir uns heimlich. Majid wollte meine Antwort unter vier Augen hören, ohne fremde Stimmen und Erwartungen von außen. An unserem Lieblingsplatz außerhalb des hübschen Küstendörfchens Tabariya umarmten wir uns zum ersten Mal. Das blaue Mittelmeer umspülte unsere nackten Füße, und am Horizont ging das Wasser in einen wolkenlosen Himmel über. Man konnte nicht mit Sicherheit sagen, wo der Ozean endete und wo der Himmel begann, und irgendwo in diesem ganzen Blau fand die Liebe mich auf wunderbare Weise.
Majid schaute mich mit durchdringenden Augen an, die schwarz im blauen Licht wirkten.
»Ich habe mit deinem Bruder gesprochen. Du weißt ja, dass ich das zuerst tun musste«, sagte er in die angespannte Stille hinein. »Willst du mich heiraten, Amal?«, fragte er in ernstem, aufrichtigem Blau. Meer und Himmel, seine Mitverschwörer, standen ihm dabei zur Seite.
Ich hatte auf den Moment gewartet, in dem ich antworten konnte. Ich hatte vor dem Spiegel geübt, »Ja« zu sagen. Ein
überraschtes, glückliches »Ja«. Ein sachliches »Ja, natürlich«. So viel Vorbereitung für so ein kleines Wort.
Doch alles, was ich schaffte, war ein zustimmendes Nicken, und mein Körper umschloss ihn und nahm das wunderschöne Blau, das vor Liebe nur so knisterte, in sich auf.
Er berührte meine Lippen mit seinen und zog mich zu sich heran. Mir war, als hätte ich nur für diesen einen Kuss gelebt.
»Ich liebe dich«, sagte er.
Die schönsten Worte der Welt.
Was immer du fühlst, lass es nicht heraus. Mama hatte unrecht. »Ich liebe dich auch«, flüsterte ich ihm ins Ohr und gab mich ganz meinen Gefühlen hin.
Ich lauschte dem Atem, wie er durch meinen Körper strömte, während ich in Majids Armen lag. Noch nie zuvor hatte ich so deutlich wahrgenommen, dass ich lebte – und nie zuvor war ich so dankbar dafür gewesen. Dankbar
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