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Während ich schlief

Während ich schlief

Titel: Während ich schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Sheehan
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mir gegen den Strich. »Das ist jedenfalls mein Skizzenbuch«, sagte ich und nahm es wieder an mich. »Nur ein Haufen Kritzeleien.«
    »Sie sind sehr gut«, sagte Mina und kehrte zu ihrem Sessel zurück. »Denkst du, du wirst damit weitermachen?«
    »Natürlich.«
    »Ich meine, würdest du das später gern beruflich machen?«
    »Ich muss mich um UniCorp kümmern«, rief ich ihr in Erinnerung.
    »Ach ja«, sagte Mina. »Das ist nicht ohne. Meinst du, du hast das Zeug dazu, einen interplanetaren Multikonzern wie UniCorp zu leiten?«
    So hatte das bisher noch niemand formuliert. Meine Schultern sackten herab. »Nein«, gab ich zu. »Aber vielleicht könnte ich jemanden dafür einstellen. Vielleicht nach dem College ...«
    Sie lachte. »Zum Glück musst du dir darüber jetzt noch keine Gedanken machen.«
    »Nein, Sie haben schon recht«, sagte ich. »Ich sollte fleißiger lernen.«
     
    Ich sollte fleißiger lernen. Das wurde zugleich zu meiner Litanei und meiner Schmach, denn so oft ich es mir auch vorsagte, ich konnte mich nicht dazu aufraffen. Ich wusste, dass ich zu blöd für den Stoff war, wie sollte ich mich dann dafür interessieren?
    Aber Bren interessierte mich. Und Otto interessierte mich noch mehr.
    Trotzdem erwies es sich als schwierig, mehr über ihn zu erfahren. Ich scheute mich, ihm einfach meine Netznummer zu
geben, vor allem in Nabikis Gegenwart (und sie war immer dabei). Nabiki sprach allerdings gern über ihn, und so kam ich auf diese Weise ein bisschen weiter. Er war stets zugegen, wenn ich mein bisschen Wissen sammelte, und ich fand es ausgesprochen seltsam, die Informationen nicht von ihm selbst zu bekommen, aber wenigstens sprachen wir nicht hinter seinem Rücken über ihn.
    So fand ich heraus, dass Otto sein Stipendium für Uni Prep erlangt hatte, ohne genau zu verraten, wer er war. Es war als Preis für einen Aufsatz vergeben worden. Otto konnte zwar nicht sprechen, aber er war hochintelligent, und das zeigte sich in seinen Texten.
    Trotzdem wurde er beinahe nicht angenommen. Es waren ein halbes Jahr und eine Zivilklage nötig gewesen, bevor man ihm das Recht auf eine geregelte Schulausbildung zugestand. Vorher waren er und die anderen von seiner Familie in einem UniCorp-Labor unterrichtet worden, wobei ihre Gehirntätigkeit ständig überwacht und aufgezeichnet wurde.
    Otto arbeitete sehr hart für die Schule. Seine Geschwister – die anderen drei Kinder aus dem Europa-Projekt, die normalintelligent waren – standen immer noch unter der Aufsicht von UniCorp, und er besuchte sie an den Wochenenden. Sie wurden zwar nicht schlecht behandelt, aber alle freuten sich schon auf den Tag, an dem sie volljährig wurden und endlich über sich selbst bestimmen durften.
    Während Bren ein Etwas aus purer Energie in meinem Kopf war, ein flatternder Vogel von einem Gefühl, das mich ständig ablenkte, war Otto im Gegensatz dazu ein bleiernes Gewicht. Er lauerte als eine Last in einem Winkel meines Gehirns, die ich schließlich überall mit hinschleppte. Es nagte an mir, dass sein schweres Schicksal auf das Unternehmen zurückzuführen war, das mein Erbe sein sollte.

    Es machte es nicht leichter, dass ich ihn oft dabei ertappte, wie er mich beobachtete, mich regelrecht anstarrte, wobei seine Miene vollkommen ausdruckslos blieb. Ich konnte sie nicht deuten. Abgesehen von dem förmlichen Lächeln, das er offenbar als soziales Schmiermittel kultiviert hatte, gab sie keinerlei Hinweis auf seine Gedanken. Entweder interessierte er sich brennend für mich, oder er war rasend wütend auf mich – ich konnte es nicht sagen.
    Eine günstige Gelegenheit bot sich dann rein zufällig. Ein paar Tage, nachdem ich Dr. Bija mein Skizzenbuch gezeigt hatte, standen Nabiki und Otto eilig vom Mittagstisch auf und vergaßen beide ihre Notescreens. Verstohlen griff ich über den Tisch und schaltete das von Otto ein. Da war sie. Ich tippte seine Kennung in meinen Screen ein, damit ich später Kontakt zu ihm aufnehmen konnte.
    Gerade noch rechtzeitig. Nabiki kam schon zurückgerannt, und ich schnappte mir schnell beide Screens, um mein Herumschnüffeln zu verbergen. »Die habt ihr vergessen«, sagte ich und gab sie ihr.
    Nabiki blickte etwas verärgert drein. »Danke«, sagte sie.
    Sie war immer höflich zu mir, aber ich merkte, dass sie mich nicht mochte.
    Es war ein komisches Gefühl, als ich später am Abend die Verbindung zu Ottos Screen herstellte. Diese Kommunikationsform galt als antiquiert und war schon zu meiner

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