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Während ich schlief

Während ich schlief

Titel: Während ich schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Sheehan
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etwas von deinen künstlerischen Arbeiten mitgebracht?«, fragte Dr. Bija, als ich in ihr Büro kam.
    Ich schüttelte den Kopf. Der Schlafwandelvorfall war fast vier Wochen her, und vor keiner der Sitzungen seitdem hatte ich daran gedacht, eine von meinen Landschaften mitzunehmen, ehe ich das Haus verließ. »Tut mir leid.«
    Mina zog die Augenbrauen hoch. »Wie ich sehe, hast du ein Skizzenbuch dabei. Möchtest du mir vielleicht daraus etwas zeigen?«
    »Aber das sind nur Skizzen«, sagte ich verdutzt.
    »Na und? Ich erwarte ja nicht die Mona Lisa.«
    »Na gut.« Ich reichte ihr das Skizzenbuch.
    Die ersten paar Seiten waren Landschaften.
    »Erzähl mir etwas darüber.«
    »Es sind einfach Landschaften.«
    »Wo hast du sie gezeichnet?«
    »Äh ... meistens im Unterricht«, gestand ich. Im vergangenen Monat hatte ich deutlich mehr Seiten in meinem Skizzenbuch gefüllt als auf meinem Notescreen mit Hausaufgaben. Nur die wenigsten Arbeiten waren farbig, aber ihr schienen auch die kohlegrauen Landschaften zu gefallen. Auf vielen davon waren Gewitter mit Blitzen zu sehen – wie auch oft in meinen Stase-Träumen. Sie blätterte weiter. »Und wer ist das? Bren?«
    Ich biss mir nervös auf die Lippen. »Nein. Das ist Xavier.«
Dass auch Skizzen von ihm dort drin waren, hatte ich ganz vergessen. Da vermied ich es immer sorgfältig, mein altes Leben zu erwähnen, und dann gab ich ihr einen so deutlichen Hinweis an die Hand.
    »Wer ist Xavier?«
    »Jemand, den ich kannte ... damals.«
    Auf einmal spürte ich, wie ihr die Fragen auf den Nägeln brannten, all die Fragen über mein früheres Leben, die sie mir bisher nicht gestellt hatte. Ich gab keine weitere Auskunft und rechnete es ihr hoch an, dass sie das respektierte. Sie blätterte einfach zur nächsten Seite weiter.
    »Das sind Nabiki und Otto«, sagte ich.
    »Ja, ich weiß.«
    »Sie kennen Otto?«
    »Otto ist ein bisschen wie du. Ich glaube, jeder kennt ihn«, sagte Mina.
    Ich hörte da etwas heraus, das mich vermutlich nichts anging. »Ist er ein Klient von Ihnen?«
    »Darauf kann ich nicht antworten«, sagte Mina. »Frag ihn doch selbst, wenn du neugierig bist.«
    Ich seufzte. »Das geht nicht. Er spricht nicht mit mir.«
    »Du würdest dich wundern, wie viel Otto zu sagen hat, wenn man ihn lässt.«
    »Ja, ich weiß, aber er will mich nicht mehr anfassen. Mein Bewusstsein erschreckt ihn aus irgendeinem Grund.«
    »Aha«, machte Mina gedankenvoll. »Hat er gesagt, warum?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nabiki konnte es nicht so richtig übersetzen.«
    »Hast du versucht, ihn persönlich zu fragen?«
    »Wie gesagt, er redet nicht mit mir.«
    Mina schürzte die Lippen. »Hast du ihn mal übers Netz kontaktiert?«

    Ich starrte sie an, als wäre sie unterbelichtet. »Wenn er nicht sprechen kann, kann er auch kein Holofon benutzen.«
    »Über deinen Notescreen«, verdeutlichte Mina. »Er kann sehr gut schreiben.«
    Daran hatte ich überhaupt nicht gedacht. Ich benutzte meinen Notescreen sowieso kaum und war gar nicht auf die Idee gekommen, jemanden damit zu kontaktieren. Abgesehen davon, dass ich niemanden zum Kontaktieren hatte. »Ich denk mal darüber nach«, sagte ich und blätterte noch eine Seite in meinem Skizzenbuch um. »Das ist Bren.«
    Mina lächelte. »Hübscher Kerl. Diese Augen!«
    »Ich weiß«, sagte ich leise. Ich hatte seine Augen auf dem Porträt noch hervorgehoben; sie leuchteten aus dunklen Höhlen heraus. Brens Augen zogen mich immer an, bis ich nicht mehr anders konnte, als sie zu zeichnen.
    Ich hatte die gesamte Mittagstisch-Crew auf verschiedenen Blättern gezeichnet, sodass Mina nun Gesichter mit den Namen verbinden konnte, die ich erwähnte. Als sie umblätterte, stieß sie auf ein weiteres Porträt von Xavier. »Das ist doch derselbe Junge wie eben«, sagte sie. »Aber er sieht jünger aus. Ist das sein Bruder?«
    »Nein. Das ist auch Xavier. Ich kannte ihn lange.«
    »Wie lange?«
    Schmerz durchzuckte mich. »Sein ganzes Leben lang.«
    Dann stellte sie mir die erste konkrete Frage überhaupt zu meiner persönlichen Situation. »Vermisst du ihn?«
    Ich wollte es zuerst lässig abtun, doch dann sagte ich: »Jeden Tag. Ich versuche, nicht an ihn zu denken.«
    »Und doch zeichnest du ihn.«
    Ich seufzte. »Ich kann nicht an ihn denken, aber ich kann ihn auch nicht vergessen. Es ist nicht richtig, jemanden zu vergessen, den man liebt.«

    Ein langes Schweigen entstand. »Meinst du?«, fragte Mina schließlich.
    Die Zielrichtung ihrer Fragen ging

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