Während ich schlief
ich am Abend zuvor dort entdeckt hatte.
Es war ein altmodisches Fotoalbum. Ich machte es mir auf dem Sofa gemütlich, und Zavier gesellte sich zu mir und legte den Kopf auf meine Beine. Schon auf den ersten Blick erkannte ich, dass es eine Sammlung von Lieblingsfotos war, sorgfältig ausgewählt und nach Datum sortiert. So sehr ich mir auch wünschte, über Bren hinweg zu sein, es nützte nichts. Ich fing von hinten an, bei den jüngsten Fotos von ihm mit seiner Familie.
Lächelnd sah ich Kayin, wahrscheinlich an ihrem letzten Geburtstag, wie sie ein riesiges Keramikpferd auspackte, das halb so groß war wie sie. Bren half ihr, das Geschenkpapier aufzureißen.
Hier war er wieder und hielt einen Tennispokal hoch. Seine Armmuskeln waren noch aufgepumpt vom Match, sodass die Ärmel des Shirts spannten. Seine Haare sahen leicht verschwitzt aus.
Ich weiß nicht, wie viele Fotos ich mir ansah, bevor ich bemerkte, dass Mrs. Sabah mich beobachtete. »Oh, Entschuldigung«, sagte ich. »Ich habe nur ... ein bisschen geblättert.« Es gab keine plausible Begründung, weshalb ich in ihren Sachen herumschnüffelte.
»Da kommt gleich ein tolles Foto von ihm aus unserem letzten Skiurlaub, im Warmwasserbecken im Schnee«, sagte sie,
setzte sich zu mir und blätterte um. Oh ja, da war er, mit nackter Sportlerbrust, von Dampf umwabert, genauso umwerfend, wie ich es mir in meinem Atelier ausgemalt hatte.
Ich war peinlich berührt. »Bin ich so leicht zu durchschauen?«
»Ach nein, alle Mädchen, die er mit nach Hause bringt, wollen das sehen«, sagte sie trocken. Gedankenverloren blätterte sie noch eine Seite um. »Er könnte eine ganz hübsche Sammlung von Groupies haben von den Wettkämpfen, wenn er wollte. Aber er scheint sich nicht sehr für Mädchen zu interessieren. Tennis ist sein Ein und Alles. Er sagt, er möchte Profi werden. Sein Vater ist nicht damit einverstanden.« Sie tippte auf ein Foto von ihrem Mann auf Skiern. »Er will, das Bren bei UniCorp anfängt, wenn er mit dem College fertig ist.«
»Meinen Sie, das wird er?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht.« Sie blätterte weiter zu einem Familienporträt: Mr. und Mrs. Sabah, Bren, Hilary und Kayin vorne und Mrs. Sabahs Eltern dahinter, ihr weißhaariger Vater und eine ältere, freundlich aussehende – das treffendste Wort, das mir zu ihr einfiel, war »goldig« – asiatische Frau mit einem herzlichen Lächeln. Neben ihr stand ein Mann, der wohl Roseannas Bruder war, denn er hatte die gleichen grünen Augen, samt zwei Kindern, vermutlich Brens Cousins. Nur deren Mutter war nicht dabei. »Mein Bruder und ich waren beide UniCorp-Zöglinge. Wir hatten gute Einstiegspositionen durch Dad, obwohl es ihm eigentlich immer egal war, was wir machten. Wir gingen einfach den Weg des geringsten Widerstands, der in dieser Stadt fast unweigerlich zu UniCorp führt.«
Sie deutete auf den grünäugigen Mann. »Ted hat das immer bereut. Nachdem seine Frau ihn verlassen hatte, nahm er die Kinder auf eine Kolonientour zum Mond Europa mit. Es
wird mindestens noch vier Jahre dauern, bis sie zurückkommen, wenn überhaupt.« Sie seufzte. »Ich frage mich schon länger, ob es gut ist, sich von etwas so Enormem, alles Beherrschendem das Leben diktieren zu lassen. Wer weiß, ob es Bren nicht erdrücken würde.«
»Aber Ihr Mann denkt, es ist gut für ihn?«
»Ja. Allerdings hatte Mamadou auch zu kämpfen, um innerhalb von UniCorp Anerkennung zu finden. Er ist sehr engagiert und arbeitet hart, sowohl für das Allgemeinwohl als auch zum Wohl der Firma. Trotzdem kämpft er auf verlorenem Posten. Er hat nie zum Kreis der königlichen Familien gehört, wie Dad sie spöttisch nennt.«
»Königliche Familien?«
»Na ja, seine, die von Guillory und die der Nikios’. Und jetzt du natürlich.«
»Nikios?«
»Sie haben die Verantwortung für die meisten außerplanetarischen Investitionen – du hast sie noch nicht kennengelernt. Diese drei Familien waren praktisch von Anfang an dabei. Es sind die Kinder und Kindeskinder der Leute, die deine Eltern eingestellt haben. Wenn UniCorp einen erstmal in den Klauen hat, lässt es einen, scheint’s, nicht mehr los. Es schnappt sich auch die Nachkommenschaft.« Sie strich zärtlich über das Gesicht ihres Bruders.
Ich betrachtete den Mann. Er hatte ein nettes Gesicht, wirkte aber ein wenig desorientiert. Ich wollte es zeichnen. Es kam mir vertraut vor. Dann wurde mir bewusst, dass das für alle galt. Als ich genauer hinsah,
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