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Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Titel: Wände leben - Samhain - Ferner Donner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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    „Kommen Sie, wir gehen nach draußen. Ihr Freund Johannes ist der junge Mann da drüben, nicht wahr?“ Sie deutete durch das Gedränge, das sich mittlerweile gebildet hatte, denn immer mehr Klassen hatten ihre Räume verlassen, teils fluchtartig, teils verstört und zögernd. „Ich habe sein Foto gesehen, aber …“
    „Wenn Sie ihn von unserem Religionslehrer losreißen können, können Sie ihn meinetwegen mitnehmen, wohin Sie wollen …“
    Einige Sekunden später verließ Harald mit Margarete und Johannes zusammen das Schulhaus. Harald berührte den Türrahmen und zuckte sofort wieder zurück. Der Stein fühlte sich an, als könnte man ihn mit der Hand zerdrücken, wenn man nur wollte. Würde das Haus nicht einstürzen, wenn die Steine so weich wurden? Vielleicht war es wirklich eine gute Idee gewesen, ins Freie zu gehen.
    Er schluckte und betrachtete das Gebäude von außen, während er sich weiter davon entfernte, rückwärts, Schritt für Schritt. Falls es in sich zusammenfiel, wollte er genügend Abstand dazu haben.
    Harald stieß mit dem Rücken gegen eines der Fahrzeuge, die auf dem Parkplatz abgestellt waren. Er umrundete es und ging weiter. Margarete und Johannes folgten ihm. Um sie herum herrschte Chaos. Immer mehr Schüler kamen aus der Tür. Einige mussten gestützt werden, weil sie zusammenzuklappen drohten, doch es schien keine Verletzten zu geben.
    Harald setzte an, um etwas zu Margarete zu sagen, und auch sie sah aus, als würde sie etwas an ihn loswerden wollen. Sie kamen beide nicht mehr dazu, denn im nächsten Moment heulte der Motor eines Autos auf.
    Quer über den Parkplatz raste ein silberner Sportwagen auf die drei Menschen zu!
    Harald stieß Johannes und Margarete zur Seite und warf sich auf die Motorhaube eines dunklen Mercedes. Der Ferrari, der auf sie zielte, streifte den Wagen nur leicht, doch in der Sekunde, in der Metall an Metall rieb, lief Harald eine Gänsehaut über den Rücken. Der Ferrari schlug mit quietschenden Reifen ein und schlitterte zwischen zwei anderen Autos hindurch. Die drei machten sich auf einen weiteren Angriff gefasst, doch der Wagen beschleunigte, erreichte die Straße und fuhr davon.
    „Das Auto von Q!“, keuchte Johannes. „Wie kommt das hierher?“
    „Das war der Ferrari, den die Polizei sucht?“, wollte Margarete wissen. „Habt ihr gesehen, ob jemand drin saß?“ Sie hatte das steife Sie fallengelassen und duzte die jungen Leute.
    Harald schüttelte den Kopf. „Darauf konnte ich nicht achten.“ Ächzend kroch er von der Motorhaube herunter und sah an sich herab. Er konnte nicht glauben, dass er sich weder verletzt noch seine Kleidung ruiniert hatte. Um ein Haar hätte der Wagen ihn erwischt.
    „Da saß niemand“, sagte Johannes mit belegter Stimme. „Der Fahrersitz war leer.“
    „Das macht Sinn“, murmelte Margarete vor sich hin.
    „Wenn das für dich Sinn macht“, meinte Harald, der sich keine Chance entgehen ließ, bei einer schönen Frau zum Du überzugehen, „dann musst du mir unbedingt erklären, welche Schule du besucht hast …“
    Sie erklärte es ihm. Und noch einiges mehr.

6
    Der Wagen fuhr eine Runde um Reutlingen herum und nahm dann die Straße Richtung Tübingen. Das Herz, das irgendwo unter seinem Drehzahlmesser zu schlagen schien, pochte heftig, und die Wellen, die es verursachte, breiteten sich durch den gesamten Innenraum aus. Auch jetzt noch war das Auto ständigen Verwandlungen unterworfen. Tausendfach schon hatte es die Variationen durchgespielt, diese unmöglichen Kombinationen aus lebendigem Fleisch und toter Technik, die Symbiosen von organischer und anorganischer Materie, doch keine dieser Formen hatte Bestand gehabt, keine hatte länger als einige Minuten funktioniert. Und dennoch war die Kraft, die in diesem metallischen Körper steckte, so unbändig und unerschöpflich, dass der Kreislauf der Wandlungen nie zu einem Ende kam.
    Kraft war kein Problem. Eine Quelle sprudelte, die unendlich zu sein schien. Es war, als habe jemand das Leben selbst angezapft.
    Über ein elektronisches Nervennetz huschten Signale, Gedanken. In einer Sprache, die kein lebendes Wesen und kein Computer verstand, die nur innerhalb dieses einzigartigen Gebildes Sinn machte, wurden Vorstellungen, Ideen und Schlüsse übermittelt.
    Aus den Lautsprechern des Radios klangen tiefe, dröhnende Laute, wie die Stimme einer Maschine, reibend, knarzend, ein dumpfes Auf- und Abschwellen in einem komplexen Rhythmus. Etwas drängte nach außen,

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