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Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Swift
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und modrigem Sackleinen drum montiert war.
    Und doch war es so. Jack wusste, dass er mit dreizehn durchaus die Ansicht hätte haben können, dass er dafür zu alt war, dass dies etwas für Kinder war, Eimer und Schaufel   – er hätte darüber stehen sollen. Aber er wusste, dass er in Wahrheit die Ferien zu diesem Zeitpunkt nur wegen Tom bekam. Und diese beiden Jahre waren für seine Mutter, wie ihm später klar wurde, die einzigen realistischen Möglichkeiten. Er hatte die Ferien also Tom zu verdanken. Und da er selbst, als er kleiner war, ohne Ferien hatte auskommen müssen, war er in den beiden Wochen die meiste Zeit mehr als bereit, ins Kindsein zurückzuschlüpfen. Das fiel ihm auch gar nicht schwer. Es war, als gäbe es zwischen ihm und Tom eine unausgesprochene Vereinbarung: Tom würde versuchen, sich wie dreizehn zu benehmen, während Jack sich wie ein Fünf- oder Sechsjähriger verhalten würde. Zusammen könnten sie dann wie zwei neunjährige Jungen sein.
    Aber in der Praxis war Tom derjenige, der im Kindsein den Ton angab   – derjenige, der auch darin besser und schneller und von Natur aus eher dazu geeignet war. Tom war es, der den geheimen Gang fand, eine Art Tunnel, durch die Hecke auf den Klippen, und dann einen Pfad   – nicht der, den alle benutzten   – über den bröckeligenKalkfelsen zum Strand hinunter. Tom war es, der die besseren Sandburgen baute.
    Warum hatte es ihm nie etwas ausgemacht? Auch damals nicht. Wenn sie abends wieder im Wohnwagen waren, drehte sich das allerdings um. Da konnte etwas ganz Neues mit Jack geschehen. Es konnte dann so aussehen, als wäre er zweimal dreizehn. Es konnte so aussehen, dass er und Mum ein Paar wären, und dies wäre ihr kleines Zuhause, und er wäre, wenigstens für diese eine Woche, Toms Dad. So konnte es aussehen.
    Und wenn er je die Gelegenheit hatte, von seiner Mum zu lernen, wie man Eier in die Pfanne schlägt und ein Frühstück zubereitet, dann hier. Aber er hatte sie nicht genutzt, und in Wahrheit war es Tom, eigentlich noch ein kleiner Junge, der aber schneller als Jack die Dinge lernte, die nicht für kleine Kinder waren. So war es auch Tom, der ihn Jahre später fragte, ob ihm damals aufgefallen sei, dass jeder dieser Wohnwagen nach einer Hollywood-Schauspielerin benannt war. Einer hieß Betty, einer Lauren, einer Rita. Jack hatte eine Woche im Jahr, zwei Jahre hintereinander, in Marilyn Monroe gewohnt, und hatte es nicht gewusst.
    Mum musste schwierige Gespräche mit Dad gehabt haben, musste argumentiert und beharrt haben. Die beiden Jungen. Und Dad hatte nachgegeben. Hatte sich zweifellos als Märtyrer aufgeführt, aber dann doch in die Tasche gegriffen. »Du willst es so, Vee, nicht ich.« Es war Mitte Juli, die Heuernte war eingefahren, es fiel nicht so viel Arbeit auf der Farm an. Andererseits war bei der Vermietung von Wohnwagen Hauptsaison.
    Und Dad war in der Zeit ihrer Abwesenheit »auf sichselbst gestellt«. Jack erinnerte sich, dass seine Mutter den Ausdruck mit einer besonderen Betonung benutzte, als würden sie bei ihrer Rückkehr Michael halb verhungert und die Farm verwahrlost vorfinden   – was später mehr oder weniger eingetreten war, als Mum dauerhaft fehlte. Aber dies war einfach eine Woche im Juli gewesen, die Tage waren lang und keinesfalls   – wenigstens für Jack nicht   – wie normale, unbemerkt vergehende Tage, sie waren fantastisch. Doch als die drei zur Farm zurückkamen, beide Male, sagte Dad in seinem langsamen trockenen Tonfall: »Schon zurück? Ihr wart ja kaum weg.« Oder so ähnlich. Mum hatte sich genau umgesehen, während Michael geduldig dabeigestanden hatte. Dann hatte er gesagt, oder vielleicht auch nur mit den Augen ausgedrückt: »Siehst du, ist gar nicht alles verfallen.« Und dann erst hatte sich sein Gesicht vor Freude, dass sie wieder da waren, in die Breite gezogen.
    Damit sie sich immer daran erinnern konnten. Falls sie es so ausgedrückt hatte. Jack jedenfalls hatte die Ferien nie vergessen.
     
    Ellie hatte den günstigen Moment abgepasst. Der warme Nachmittag, die Kühle im Haus, die knarrenden Balken, die zum Fenster hereinwehende Brise. Und zuvor musste sie, wie er später begriff, die Vorarbeiten gemacht haben. Mit den Anwälten gesprochen und mit den entsprechenden Leuten, sich erkundigt und vergewissert haben, dass es alles stimmte und keine Finte war. Sie hatte sogar heimlich eine Fahrt hierher gemacht, wie sich herausstellte, um sich zu überzeugen, sich das Gelände

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