Wärst du doch hier
Kinderarsch war, den er vor fünfzehn oder mehr Jahren gepackt hatte. Wie lange kannte er Ellie? So lange, dass er vergessen hatte, wie lange. So lange, dass es Zeiten gegeben hatte, wo sie mal zusammen waren und malnicht. So lange, dass er Veränderungen bei ihr erlebt hatte, zum Guten und zum Schlechten und zurück. Das Gleiche musste auch auf ihn zutreffen, auch wenn er es nicht bemerkt hatte. Denn er kam sich immer wie der gleiche alte Stiesel vor.
Er konnte nicht im Entferntesten von sich behaupten, ein Frauenkenner zu sein, aber er war ein Ellie-Kenner. Und wenn er Ellie betrachtete, erschien es ihm seltsam, wie die Zeit Spuren in Frauen hinterließ, und nicht immer zu deren Nachteil. Man konnte nicht voraussagen, wann eine Frau plötzlich ihre Spitzenform erreichte.
Sie war nach unten gegangen und kam mit einem Tablett zurück, auf dem der Tee stand. Auf dem Tablett musste aber auch, obwohl er das nicht bemerkt hatte, als sie es auf dem Fußboden neben dem Bett absetzte, der Brief gelegen haben, den sie in der Küche aus ihrer Handtasche genommen hatte.
»Wohnwagen, Jacko.«
Sofort – sie ließ das Wort eine Weile in der Luft hängen und nahm einen langen Schluck von ihrem Tee – sah er alles vor sich: Tom, sechs Jahre alt, der vor ihm den Pfad hinunterhüpfte. Oder die geschwungenen Buchstaben bei der Tür mit den zwei Stufen davor: »Marilyn«. Oder der Geruch von Salz zwischen seinen Fingern. Oder der Geruch am Morgen, überall auf der Wiese, von Bacon in der Pfanne. Und als er ein bisschen später selbst den Brief las, sah er die kleine gelbe Tischplatte vor sich und die erste Postkarte – das Bild von dem blauen Meer und dem weißen Streifen der Kreidefelsen –, die er an Ellie geschrieben hatte.
Und nachdem er gerade gedacht hatte, dass dies jetzt sein Bett war und Ellie da hineingehörte, dachte er plötzlich auch, dass er in Wirklichkeit ganz ihr gehörte. Sie wusste alles von ihm, sie hatte ihn.
Dann hatte er gesagt, als müsste er wenigstens eine Art Alibi-Opposition aufbieten: »Niemand macht mehr Ferien im Wohnwagen.«
Aber anscheinend doch. Oder wenigstens im Lookout-Park, früher The Sands genannt. Die Wohnwagen waren nicht so wie die, an die Jack sich von Brigwell Bay erinnerte (und was hatte der Bauer damals pro Woche verlangt?). Auch die Wohnwagen-Benutzer waren anders als früher. Sie waren sehr gemischt. Bei zweiunddreißig Wohnwagen, wenn alle belegt waren, war das Publikum sehr gemischt. Es gab Dauergäste, alte Ehepaare, die seit Jahren kamen und ihre Bedenken hatten, was den neuen Namen anging, aber zufrieden waren, dass der Platz in der »Familie geblieben war« (wie traurig, das mit Alice und Tony). Sie schienen mehr über Ellies Mutter zu wissen als Ellie selbst wusste – oder wissen wollte. Es gab große Familien, alles kräftig gebaute, lärmende Menschen mit Tätowierungen, die im Laufe einer Woche sanfter wurden, freundlicher. Es gab Gruppen von jungen Leuten, jeweils zwei oder drei Paare, die mit ihrer Windsurfing-Ausrüstung kamen und immer dann, wenn sie keine Taucheranzüge trugen, so gut wie gar nichts anhatten und am liebsten die ganze Nacht feierten.
All dies hatte Jack fasziniert. Es hatte etwas in ihm lebendig gemacht. Man konnte nie wissen, was in all diesen Wohnwagen gerade im Moment los war. In gewisser Weise fühlte er sich an die Kühe erinnert. Man konntenicht wissen, was als Nächstes kam. Wohnwagen. Manchmal erinnerte es ihn an einen Zirkus, und manchmal war es auch wie im Zirkus. Unterhaltsam, laut, mit einem Hauch von Gefahr. Manchmal musste man ein bisschen Polizei spielen. Einerseits musste man der lächelnde Gastgeber in einem zum Schreien komischen Hemd sein, dann aber gab es Zeiten, wo man keinen Zweifel daran lassen durfte, wer das Sagen hatte. Jack hatte festgestellt, dass er das erstaunlich gut konnte. Beides: das Lächeln und das Polizeispielen. Vielleicht half seine große, gewichtige Gestalt. Oder vielleicht lag es daran, dass er manchmal mit seinem unbewegten, undurchdringlichen Gesicht nebenbei erwähnte, dass er, sollte es einmal
echten
Ärger geben, eine Schrotflinte in Reichweite hatte, oben in seinem Haus, und dass er, da er früher Farmer gewesen war, sie zu benutzen wusste.
Die Wohnwagenbenutzer ihrerseits, die Feriengäste im Lookout Park, waren im Allgemeinen der Ansicht, dass an Ellie und Jack nichts auszusetzen war. Die beiden pflegten ihre Anlage und kümmerten sich um die Gäste. Natürlich, nicht jeder
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