Waffenschmuggel
Soames zu unterscheiden, der pensionierter Gurkha-Offizier und prominentes Mitglied des Rennclubs gewesen war. Die Tatsache jedoch, daß man diese Bezeichnung auch nach ›Gurkha‹ Soames’ Tod beibehalten hatte, war nur zum Teil eine Folge der Gewohnheit. Wenn auch Colonel Soames’ Status als dienstältester Polizeioffizier allgemein bekannt war, so war die Art seiner Tätigkeit das keineswegs. Er sprach nie über sie und begegnete jedem Versuch, ihn über dieses Thema auszuhorchen, mit eisigem Schweigen. Es wurde allgemein vermutet, daß er strenggenommen kein Polizeibeamter sei, aber doch etwas mit dem Geheimdienst zu tun habe. Ihn weiterhin ›Polizist‹ zu nennen, war eine mild sarkastische Art, diese Vermutung zu unterstreichen.
Sie war in gewisser Hinsicht zutreffend. Singapur ist als See-, Luft- und Militärstützpunkt von entscheidender Bedeutung für das britische Commonwealth, aber in seiner ökonomischen Existenz als Handelszentrum und freier Hafen ist Singapur vom internationalen Handel weitgehend abhängig; und das brachte es mit sich, daß die Stadt viele Fremde in ihren Mauern aufnehmen mußte. Colonel Soames’ Aufgabe war es, die unerwünschten Elemente unter ihnen ausfindig zu machen und dafür zu sorgen, daß ihre Interessen denen der Stadt Singapur nicht ernstlich zuwiderliefen. Er tat das in enger Zusammenarbeit mit der Einwanderungsbehörde, mit den Geheimdiensten und mit den Hafen-, Flughafen- und Zollbehörden. Haftbefehle gab er niemals aus. War er auf irgendwelche verbrecherischen Umtriebe aufmerksam geworden, so überwies er den Fall zur Aufklärung und Verfolgung an einen geeigneten Kollegen, oder er beschränkte sich darauf, falls er ein polizeiliches Vorgehen für unangebracht hielt, die Augen offenzuhalten und abzuwarten. Gelegentlich mochte er eine Ausweisung empfehlen oder die Verweigerung einer Einreiseerlaubnis, aber die meisten Ergebnisse erzielte er allein damit, die Personen, denen seine Aufmerksamkeit galt, wissen zu lassen, daß man sie beobachtete und sich über ihre Absichten im klaren war. Offiziell leitete er eine Abteilung des Inneren Sicherheitsdienstes. Nach seiner eigenen Definition bestand seine Tätigkeit darin, ›die schweren Jungens zu entmutigen‹.
Ihm unmittelbar unterstellt war Kriminalinspektor Chow Soo Kee. Jeden Morgen um zehn trafen sie zusammen, um die Berichte des Vortages durchzugehen. Bei einer solchen Besprechung geschah es, daß Colonel Soames der Name ›Nilsen‹ zum erstenmal auffiel.
Sie hatten über das Treiben eines Belgiers gesprochen, der einen zentralen Verleih für pornographische Filme aus Bangkok aufzuziehen versuchte, über einen Österreicher, der für ein in Brunei neu eröffnetes Bordell Mädchen kaufte, und über ein australisches Ehepaar, das verdächtig große Gewinne beim Badger-Spiel einstrich. Sie hatten sich darüber unterhalten, welche Schritte gegen den Konsul einer mittelamerikanischen Republik unternommen werden sollten, der, geschützt durch seine diplomatische Immunität, auf dem Opiummarkt Geld machte. Man beschloß, ihn durch einen als Theaterkarten-Verkäufer auftretenden Mann wissen zu lassen, daß belastendes Material gegen ihn von Scotland Yard übersandt worden sei. Inspektor Chow war im Begriff aufzubrechen, als ihm etwas einfiel. »Übrigens, Colonel«, sagte er. »Wir haben einen weiteren Waffenhändler.«
»Doch nicht schon wieder dieser Italiener?«
»Nein, Sir, es ist ein neuer Mann. Der Zoll hat mich auf ihn aufmerksam gemacht. Es ist eine Waffensendung aus Manila eingetroffen, unter Zollverschluß und adressiert an einen G. Nilsen.«
»Wie groß ist die Sendung?«
Inspektor Chow beschrieb sie ihm. »Wahrscheinlich Restbestände aus dem Koreakrieg«, sagte er. »Es könnte sich um Muster handeln.«
»Ein bißchen viel Muster, finden Sie nicht? Klingt mir eher nach einem Anfänger, der ins Geschäft kommen will.«
»Tja, das ist das Merkwürdige an der Sache, Sir. Es ist nicht der übliche Typ. Heißt Gregory Hull Nilsen. Amerikanischer Staatsbürger. Ingenieur. Kommt aus Wilmington, Delaware, wo er eine eigene Firma hat. Reist mit seiner Frau. Sie sind vor zwei Tagen mit der ›Silver Isle‹ eingetroffen. Bewohnen im Raffles Hotel ein Appartement mit Klimaanlage. Sehr ordentliche Leute, wie’s scheint.«
»Na, das hört sich ja ganz beruhigend an.«
»Ja, Sir.« Der Inspektor machte eine Pause. »Mit zwei Einschränkungen. Gegenüber der Einwanderungsbehörde hat er eine falsche Erklärung
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