Waffenschwestern
ich hätte mit ihr geschlafen? Wie konntest du das nur denken?«
129
Jetzt war er wütend; die schwarzen Augen blitzten, und Farbe stieg ihm ins Gesicht.
Esmay spürte Panik in sich aufsteigen. Er hatte nicht mit Brun geschlafen? Hatte Livadhi gelogen? Etwas falsch
verstanden? Es nicht gewusst? Sie konnte nichts sagen. Barin, der sie anfunkelte, nickte scharf, als würde ihr Schweigen einen schlimmen Argwohn bestätigen.
»Du dachtest, ich hätte es getan. Du dachtest, nur weil ich ein paar Mal mit ihr zusammen gegessen habe, während du
beschäftigt warst, nur weil wir miteinander geredet haben, nur weil sie ein reiches Mädchen ist –würde ich mit ihr ins Bett springen wie eine zahme Marionette. Nun, ich bin niemandes Schoßtier, Esmay. Weder ihres noch deines. Falls du dir wirklich etwas aus mir machen würdest, wüsstest du das. Es tut mir Leid, dass du so wenig verstehst, aber falls du Karriere in der Flotte machen möchtest, solltest du lieber von deinem hohen moralischen Ross steigen und dich langsam der Realität
stellen.«
Er war gegangen, ehe sie etwas sagen konnte, und lange
bevor irgendjemand einen Verdacht entwickeln konnte, wie sie ihn früher mal bei anderen Leuten gefürchtet hatte. Endlich schaffte sie es in ihre Unterkunft zurück und brachte eine weitere Nacht schlaflos zu, indem sie an die Decke über ihrer Koje starrte.
*
Als sie sich am nächsten Tag in der Klasse begegneten, konnte Esmay nichts tun, als traurig Barins Hinterkopf anzustarren. Er 130
drehte sich nicht zu ihr um. Wenn er angesprochen wurde, gab er mit seiner gewohnt frischen Stimme Antwort; Esmay stellte fest, dass sie das Gleiche zuwege brachte, obwohl sie nicht recht wusste, wie ihr Gehirn weiter funktionieren konnte, während ihr Herz zu irgendeinem tropfnassen Haufen irgendwo unterhalb des Nabels zusammengesunken war.
Sie war nie zuvor verliebt gewesen. Sie hatte gehört, wie andere ähnliche Symptome schilderten, es aber für übertrieben gehalten. Es war nicht übertrieben gewesen, entschied sie; tatsächlich entsprach es noch nicht mal ansatzweise dem Elend, das sie empfand. Die anderen hatten es überstanden; sie vermutete, dass sie es auch tun würde, war aber nicht sicher, ob sie es wollte.
Zu ihrer Überraschung erhielt sie eine gute Note für die Feldübung. Sie fühlte sich dadurch nicht besser, obwohl die gedrückte Art, in der sie das Zeugnis entgegennahm, Lieutenant Commander Uhlis anscheinend gefiel. Sie spürte den inneren Rückzug ihrer Klassenkameraden, sogar der Leute wie
Vericour, die die ganze Zeit freundlich gewresen waren.
Die Anonymität war viel einfacher gewesen als die Schande.
Am Tag von Barins Abreise suchte Esmay den Weg zum
Flugsteig; sie hatte das Bedürfnis, irgendeine Verbindung zu Barin herzustellen; andernfalls hätte sie genauso gut von einem Turm springen können. Ihre Hände waren eiskalt; sie spürte ihr Herz klopfen, als sie Barin auf der anderen Seite der Halle entdeckte.
»Barin…«
»Lieutenant.« Er zeigte kühle Höflichkeit. Sie wollte keine kühle Höflichkeit.
131
»Barin, es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht kränken.« Sie sprudelte es regelrecht hervor, beinahe in einem Wort.
»Eine Entschuldigung ist nicht nötig«, sagte er beinahe förmlich. Sie glaubte, einen Schimmer von Wärme in seinen Augen zu erkennen, aber mehr nicht. Er hatte nicht vor, sich ihr zu öffnen, nicht hier in der Öffentlichkeit, und er ließ mit keiner Andeutung erkennen, dass er sich ein mehr privates Gespräch wünschte.
»Ich möchte nur… ich möchte nicht, dass wir Feinde sind«, sagte Esmay.
»Niemals!« Er holte Luft. »Niemals Feinde, Lieutenant,
selbst wenn wir nicht übereinstimmen können.« Eine lange Pause trat ein, in deren Verlauf Esmay hörte, was er nicht laut aussprach – oder was sie sich als seine Worte vorstellte. Sie wusste nicht, was davon zutraf. »Leben Sie wohl, Lieutenant, und viel Glück bei Ihrem ersten Posten auf der Kommandolaufbahn. Sie werden es gutmachen.«
»Danke«, sagte Esmay. »Und viel Glück auch dir.« Es
schnürte ihr den Hals zu, sodass sie den Rest dessen, was sie gern gesagt hätte, nicht mehr herausbekam: Wir könnten in Verbindung bleiben. Wir könnten planen, uns … Nein. Sie hatte ruiniert, was zwischen ihnen entstanden war, und damit war es vorbei.
Sie schüttelten sich förmlich die Hände, dann salutierten sie förmlich, und schließlich ging Barin zu der Warteschlange hinüber, die sich vor seinem Shuttle bildete.
Weitere Kostenlose Bücher