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Waffenschwestern

Waffenschwestern

Titel: Waffenschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Moon
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fünf
     
    Der Kommandant erweckte nicht den Eindruck, als ginge es um eine Verwaltungsangelegenheit. Esmay nahm Haltung an und wartete. Endlich sagte er etwas.
    »Ich habe gehört, Sie hatten eine … ah … Meinungsverschiedenheit mit der Tochter des Sprechers, Brun Meager.«
    Als ob sie nicht wüsste, wer Brun war; als ob sie nicht wüsste, mit wem sie sich gestritten hatte. Und konnte es wirklich darum gehen? Einen simplen Streit?
    »Ja, Sir.«
    »Die … ah … Überwachungsaufnahmen belegen, dass Sie
    Sera Meager moralische Schwächen vorgeworfen haben…«
    »Sir.« Bestimmte Ausdrücke traten ihr seit Tagen zum ersten Mal wieder ins Gedächtnis, als würden sie flammend
    hervorgehoben.
    »Denken Sie wirklich, dass das ein angemessenes, professionelles Verhalten Ihrerseits war, Lieutenant?«
    »Wenn Sie die Bänder haben, dann wissen Sie auch, warum ich das gesagt habe«, versetzte Esmay. Sie wünschte sich, sie wäre taktvoller gewesen, aber es war kleinlich von Brun, diesen Streit zu melden.
    »Ich möchte es mal anders formulieren, Lieutenant.« Der Ton wurde eine Spur kühler; Esmay spürte ihn regelrecht auf der Haut, wie eine kalte Brise, bei der sich ihr die Armhaare sträubten. »Welche Provokation auch immer vorgelegen hat –
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    denken Sie, es wäre passend, wenn ein Flottenoffizier einer Zivilistin – einer prominenten Zivilistin – eine Lektion erteilt, als hätte sie ein rivalisierendes Marktweib vor sich?« Ehe Esmay auf irgendeinen Einwand kam, fuhr er schon fort:
    »Lieutenant, ich kann Ihnen sagen, dass ich es nicht für angemessenes Betragen halte. Ich halte es für eine Peinlichkeit, und ich bin von Ihrem Verhalten wirklich ernstlich enttäuscht.
    Man hat Ihnen bislang Ihre Herkunft zugute gehalten …«
    Esmay rührte sich, aber er hob warnend die Hand und redete weiter.
    »Wie ich schon sagte: Ihre Herkunft könnte eine Ausrede bieten, falls Sie nicht einer prominenten Familie auf Altiplano entstammten und falls Sie nicht zuvor schon selbst auf die größere Förmlichkeit der dortigen Bräuche hingewiesen hätten.
    Ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie einem Zivilisten, der bei Ihrem Vater zu Gast ist, solche Begriffe an den Kopf geworfen hätten, wie Sie sie gegenüber Sera Meager benutzt haben.«
    »Nein, Sir.« Das hätte sie nicht, weil keine junge Frau von Familie sich wie Brun Meager benommen hätte. Sie versuchte sich ein vergleichbares Verbrechen auszudenken und schaffte es nicht. Aber es hatte keinen Sinn, es zu erklären … damit erreichte man nie etwas.
    »Und dann noch Bemerkungen von sich zu geben, wo jemand von den Medien sie mithören konnte…!«
    »Sir?« Sie hatte keine Ahnung, wovon er da redete.
    »Erzählen Sie mir nicht, Sie wüssten nichts davon!« Er
    funkelte sie an.
    »Sir, nach dem Streit mit Brun habe ich zu Ende gepackt und bin zur Feldübung gegangen. Ich habe mit niemandem über 125
    irgendetwas gesprochen; ich habe während der Übung mit
    niemandem über Brun gesprochen, und ich komme jetzt gerade aus der medizinischen … Es tut mir Leid, Sir, aber ich weiß wirklich nicht, wovon Sie reden.«
    Er wirkte leicht betroffen, wie jemand, der im Schwunge seines rechtschaffenen Zorns gerade über eine unpassender-weise dagegensprechende Tatsache gestolpert war.
    »Sie haben mit niemandem geredet?«
    »Mit niemandem, Sir.«
    »Na ja, Sie müssen laut genug gewesen sein, dass jemand mitgehört hat, denn das Ereignis hat seinen Weg in die
    Nachrichten genommen.«
    Auf Altiplano hätte es keine Medienpräsenz auf einem
    militärischen Stützpunkt gegeben. Es war nicht fair, ihr die Schuld zu geben, weil die Kommandantur selbst es den Medien gestattet hatte, Brun überallhin zu folgen und die Nase in jeden Winkel zu stecken.
    »Von allen Leuten sollten gerade Sie wissen, dass die Flotte derzeit großem Argwohn begegnet – gefangen zwischen den Meutereien und der Lepescu-Affäre –, und dass das Letzte, was wir gebrauchen können, ein junger Offizier ist, der die Tochter des Sprechers mit rollenden Augen der Unmoral beschuldigt.
    Das hilft uns nicht vor dem Großen Rat und eigentlich auch nicht bei der Bevölkerung insgesamt. Haben Sie das verstanden?«
    »Ja, Sir.«
    »Da habe ich meine Zweifel. Sie sind ein intelligenter
    Offizier und angeblich taktisch talentiert, aber… in all meinen 126
    Jahren glaube ich noch nie ein so ungeheuerliches Beispiel schlechten Urteilsvermögens erlebt zu haben. Sie haben mich in Verlegenheit gebracht, und Sie haben den

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