Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
Nicht nach dem, was er mir gesagt hat. Nicht nachdem ich die Fotos gesehen habe. Baumann. Kleen. Wilken. Alle drei. Alle drei. Niemand darf diese Bilder sehen. Ich greife nach dem Handy. Stecke es ein. Fabian? Noch einmal flüstere ich seinen Namen. Als er auch jetzt nicht reagiert, nehme ich das Fläschchen aus seiner Jackentasche, drehe mich um und gehe. So einer wie er hat keine Hilfe verdient.
* * *
»Sie hätten einen Rettungswagen rufen müssen.«
»Ich habe es aber nicht getan. Ich wollte damit nicht in Verbindung gebracht werden. Und es war ja auch irgendwie ein Unfall.«
»Genau deshalb!«
»Nein. Ich bin nach Hause und habe mir die Aufnahmen angesehen. Wieder und wieder. Und mit jedem Mal mehr wusste ich, dass es richtig gewesen war, keine Hilfe geholt zu haben. Er war selbst schuld. Er hat es in der Hand gehabt. Es wäre nicht so weit gekommen, hätte er mir den Chip mit den Fotos gegeben.«
»Was dann?« Christine sah sie ernst an. »Was geschah mit Malte Kleen?«
Katharina Arends lächelte unvermittelt. »Ja, wissen Sie, ich fühlte mich plötzlich gut, als Baumann … na ja. Natürlich hätte er nicht sterben müssen, das hatte ich auch überhaupt nicht beabsichtigt, aber es war eben passiert. Und irgendwie tat es mir gut, dass er nicht mehr da war. Ich empfand so was wie Befriedigung.«
»Also haben Sie sich überlegt, auch Malte Kleen aus dem Weg zu räumen?«, fragte Oda.
»Nein. Natürlich nicht.« Unruhig rutschte Katharina auf dem Stuhl herum. »Ich hatte das ja auch bei Baumann nicht gewollt. Es war ein Unfall. Und bei Kleen …« Sie hob beinahe entschuldigend die Hände, ihre Augenlider flatterten. »Ich wollte ihm nur einen Denkzettel verpassen, damit er am eigenen Leib erfährt, wie es ist, einen totalen Filmriss zu haben. Das wäre ja nicht mal so schlimm für Malte gewesen, weil er dabei nicht vergewaltigt worden wäre. Aber er sollte diesen Blackout haben, der nicht vom Trinken kommt und deshalb so unerklärlich ist. Der Fragen aufwirft nach dem, was in den verschwundenen Stunden geschehen ist. Das hätte ihm das Ausgeliefertsein deutlich gemacht. Darauf kam es mir an.« Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust.
»Nicht so schlimm ist in dieser Sache wohl der falsche Ausdruck. Schlimmer als der Tod kann ein Blackout wohl nicht sein«, sagte Oda sarkastisch.
Katharina räusperte sich. »Dass er stirbt, wollte ich nicht.«
»Aber Sie haben es billigend in Kauf genommen, indem Sie ihm die Tropfen verabreichten, bevor er auf die Autobahn fuhr.«
»Das würde ich so nicht sagen. Er hatte eine Flasche Apfelwasser auf dem Tisch stehen, und mir bot sich die Gelegenheit, die Tropfen hineinzutun. Ich hab doch nicht ahnen können, dass er Auto fährt, nachdem er das Apfelwasser getrunken hat. Außerdem muss er zunächst müde geworden sein. Er hätte anhalten können.« Sie sah Christine und Oda mit großen, flackernden Augen an.
»Und Wilken?«, fragte Christine mit Skepsis in der Stimme.
»Da kann ich nun überhaupt nichts dafür. Gut, ich hab die Fotos von Baumanns Handy dazu benutzt, ihn und auch Kleen unter Druck zu setzen, um mit ihren Ängsten zu spielen, davor, dass alles rauskommt. Ich wollte mich rächen. Darum hab ich auch Ihnen die Fotos geschickt.«
»Und sich selbst darauf unkenntlich gemacht.«
»Ja. Aber dann hab ich gemerkt, dass es nichts bringt, wenn Sie nicht wissen, wer die Person auf dem ausklappbaren Schreibtisch ist. Darum habe ich beim letzten Foto deutlich werden lassen, dass es eine Frau ist. Und gehofft, sie würden erkennen, dass diese Fotos keine lustige Veranstaltung zeigen. Ich wollte einfach, dass die bestraft werden.« Katharina Arends sah Christine mit offenem Blick an. »Es kann doch nicht sein, dass jemand eine Frau vergewaltigt und dann noch zum Soldaten auf Lebenszeit berufen wird. Als Belohnung sozusagen? Nein. Die durften nicht einfach so weitermachen.«
* * *
»Und nun?«, fragte Christine, als sie Katharina Arends den Kollegen der JVA in Oldenburg übergeben hatten, bei denen die Soldatin so lange bleiben würde, bis der zuständige Staatsanwalt über einen Haftbefehl entschieden hatte. Betroffen darüber, dass seiner Zwo SSM zumindest im Fall von Fabian Baumann Totschlag vorgeworfen wurde, hatte Kommandant Tieden seine Zustimmung zum Abtransport gegeben. Die Sonne bohrte sich langsam mit ihren Strahlen durch den Nebel. Nicht mehr lange, und sie würde den Kampf gewonnen haben. Die Luft roch würzig, beinahe mild, es versprach noch ein
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