Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
Langeweile in der Stimme fest. »Und wir gehen einfach mal davon aus, dass der Sie irgendwie berührt, immerhin sind Sie in dem Schreiben erwähnt.«
Katharina spürte, wie ihr innerer Emotionskessel unter Druck geriet. »Ein Abschiedsbrief?«
»Ja.« Christine Cordes tat überrascht. »Wissen Sie denn nicht, dass auch Volker Wilken aller Wahrscheinlichkeit nach tot ist? Sein Auto wurde gestern Abend am Parkplatz des Molenfeuers gefunden. Die Schlüssel steckten, die Scheinwerfer brannten, nur von ihm selbst fehlt jede Spur. Lediglich eine Wodkaflasche mit seinen Fingerabdrücken haben wir sicherstellen können.« Sie machte eine Pause. »Die Strömung ist dort sehr stark. Es war ablaufendes Wasser …«
Katharina schluckte.
* * *
Da ist er wieder. Der Strudel. Alles ist wieder da. Die Ohnmacht. Die Verzweiflung. Das schwarze Loch.
Denn nichts ist da. Keine Erinnerung. Nur das Wissen darum, dass Stunden meines Lebens fehlen, ohne dass ich wirklich weiß, was genau geschah.
Ich werde wach. Mir gegenüber stehen Fabian und Malte an den Spind gelehnt. Volker sitzt am Fußende der Koje. Hab ich zu viel getrunken? Nein. Es war immer nur ein kleiner Spritzer Wodka in der Cola. Da hab ich aufgepasst. Außerdem bin ich total klar. Wenn ich was getrunken hätte, hätte ich einen Hangover.
Die drei beobachten mich. Ich richte mich auf. Was ist hier los?
»Na, biste wieder da?«, fragt Fabian lax. Malte grinst saublöd, Volker blickt betreten zu Boden. »Bist eingepennt. Haben gedacht, wir passen besser auf dich auf.« Fabian lacht dabei widerlich. Malte grinst breiter. Volker schweigt. Mit einem Mal fühle ich mich schmutzig. Auch der Geschmack in meinem Mund ist widerwärtig. Ich stehe auf.
Ich laufe durch das Schiff zu meiner Kammer. Dieser Ekel . Es würgt mich. Ich muss unter die Dusche, mir den Ekel abschrubben. Doch so lange ich auch schrubbe, er bleibt. Heiß rinnt das Wasser auf mich hernieder. Ich muss mich erinnern. Ich weiß noch, dass ich überrascht war, als Fabian mich, Malte und Volker zu einer kleinen Party auf seine Kammer einlud. Zu Beginn war es sogar ganz nett.
* * *
»Ich weiß nicht, was das soll«, sagte Katharina bestimmt. »Sie geben mir einen Brief oder die Kopie davon, erzählen mir, dass Volker allem Anschein nach beim Molenfeuer ins Wasser gegangen ist … was wollen Sie von mir?«
»Wir hatten gehofft, dass Sie uns sagen, wofür Volker Wilken sich bei Ihnen entschuldigt. Vielleicht hilft das hier Ihrer Erinnerung auf die Sprünge«, sagte Christine Cordes und griff erneut in ihre Tasche. Jetzt zog sie ein Bild heraus. Katharina brauchte gar nicht näher hinzusehen. Sie erkannte es auch so. Es war die Vergrößerung des Fotos, das sie selbst der Polizei geschickt hatte.
Sie schwieg.
Die Kommissarin schob es ihr rüber, und Katharina atmete hörbar ein. Natürlich hatte sie gewusst, dass dieser Moment kommen würde, sie hatte ihn ja sogar selbst herbeigeführt, aber irgendwie war es jetzt doch nicht so leicht, wie sie es sich vorgestellt hatte. Am liebsten würde sie auch nicht hier, sondern woanders reden. Und doch gehörte ihre Geschichte in die Wände der »Jever«.
»Sie haben recht. Ich muss Ihnen einiges erklären.« Sie sammelte sich. Bislang hatte sie das alles nur ein einziges Mal erzählt. Leider dem Falschen.
»Es ist ein paar Monate her. Wir waren auf einer Übungsfahrt. DO Baumann hatte Drei SVM Kleen, Zwo NO Wilken und mich zu einem kleinen Umtrunk auf seine Kammer gebeten. Das war natürlich sehr eng, normalerweise ist die Kammer bei drei Leuten schon voll, aber es ging gerade so. Und vielleicht machte es dieses Enge ja auch so witzig. Zuerst war alles ganz unverfänglich. Es gab Cola. Wilken und Kleen haben sie mit Wodka gemischt. Ich hab den Alkohol gemerkt, bin das nicht gewohnt. DO Baumann rutschte sehr eng an mich heran. Legte seine Hand auf meinen Oberschenkel und ließ sie nach oben wandern. Das wollte ich nicht. Ich hab ihm gesagt, er solle das lassen. Da wurde er sauer. Ich solle mich nicht so anstellen. Kleen hat hämisch gelacht und gemeint: ›Siehste, wusst ich doch, dass du bei der nicht landen wirst.‹ Überrascht habe ich ihn angesehen. ›Was läuft hier?‹, habe ich gefragt, doch er hat weiter so blöd gelacht. ›Kannste dir das nicht denken? Der DO will was von dir.‹ – ›Ihr seid ja betrunken‹, sagte ich und wollte aufstehen. Irgendwie war ich auch müde. ›Ist wohl besser, wenn ich gehe.‹ – ›Ach komm, stell dich nicht so an.‹
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