Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
Baumann zog mich wieder zurück und drückte mir mein Glas in die Hand. Die beiden haben sich so komisch angesehen, während wir uns unterhielten, und Baumann legte wieder einen Arm um mich und zog mich an sich. Da hatte ich die Nase voll. Ich wollte gehen, aber das ging nicht mehr. Von da an gibt es in meiner Erinnerung nur noch ein Loch. Bis ich aufwachte und die drei mich anstarrten. Es hing etwas im Raum, eine ganz eigenartige Atmosphäre.«
»Und dann?«, fragte Christine Cordes.
»Ich bin gegangen.« Katharina räusperte sich, dann sprach sie leise weiter. »Aber ich fühlte mich furchtbar schmutzig.«
* * *
»Na, du scharfe Maus, wie hat’s dir gefallen? Wir können das gern mal wiederholen. Vielleicht geht’s ja auch ohne die Tropfen.« DO Baumann flüstert mir das zu, als ich ihm an Deck begegne. Ich werde blass, mir wird speiübel. Also hat mich mein Gefühl nicht getrogen.
»Du machst einen Scherz«, sage ich und hoffe, dass er »Ja« sagt. Doch er lacht und geht einfach weiter.
* * *
Auch wenn es nicht das erste Mal war, dass Oda mit Opfern einer solchen Tat sprach, traf sie deren seelische Pein jedes Mal aufs Neue. »Wenn Sie befürchteten, vergewaltigt worden zu sein, warum haben Sie sich keine Hilfe gesucht?«, fragte sie. »Warum haben Sie geduscht, es hätten doch vom Arzt Spuren sichergestellt werden können, um den Verantwortlichen zu überführen und zur Rechenschaft zu ziehen.«
»Ich habe mich geschämt. Da war ganz viel Ekel und Scham.«
»Das kann ich verstehen.« Oda machte eine kurze Pause. Diese Sätze hörten sie fast jedes Mal, und jedes Mal wieder machte es sie wütend. Die Täter sollten sich schämen! Nicht die Opfer. »Es war nicht nur Fabian Baumann, stimmt’s? Es waren auch die anderen beiden.«
Die junge Soldatin nickte. »Ja. Auf den Bildern erkennt man, dass es sowohl Baumann als auch Kleen und Wilken waren. Die Fotos habe ich erst kürzlich gesehen. Bis dahin habe ich geglaubt, dass es nur der DO war. Ich hab mich so geschämt. Habe gedacht, was müssen die beiden anderen von mir denken, dass ich so was mit mir machen lasse. Und ich hatte ja nicht mal eine Erinnerung daran! Das war das Schlimmste. Nichts zu wissen, sondern nur zu ahnen.«
* * *
Seit zwei Tagen kämpfe ich mit permanenter Übelkeit, habe mir mit Seife den Mund ausgewaschen und alles andere auch. Doch ich werde den Ekel nicht los, der ständig präsent ist und fast übermächtig wird, wenn ich Baumann begegne. Auch nicht die Scham beim Anblick von Kleen und Wilken. Ich rufe meinen Vater an. Erzähle ihm alles. Er wird mir einen Rat geben, was ich machen soll. Doch ich kann nicht glauben, was er sagt.
»Ach was. Stell dich nicht so an. Die haben sich einen Witz mit dir erlaubt, da war gar nichts. Du bildest dir das nur ein. Hast wohl zu viel getrunken und bist eingeschlafen. Frauen können eben nicht so viel ab wie Männer. Und jetzt nimmt der Baumann dich damit hoch. Lach drüber, sonst wirst du ewig von denen verspottet.«
»Aber Papa …«
»Hast du Beweise? Schmerzen? Striemen? Sonst was?«
»Nein. Aber …«
»Nichts aber. Du bildest dir das ein. Und selbst wenn: Steh es durch wie ein Mann.«
* * *
»Und wann merkten Sie, dass Ihre Ahnung Sie nicht trog?«, fragte Christine, wobei sie versuchte, ihr Mitgefühl nicht zu offenkundig werden zu lassen.
»Erst gab’s nur Baumanns Andeutungen. Dann ließ auch Kleen komische Sprüche ab. Dass er immer schon mal einen flotten Vierer … und so.« Katharina Arends senkte den Blick. »Ich war völlig konfus … In meinem Schädel knallten die Fragen von einer Seite zur anderen, ich hatte Angst, mein Kopf würde jeden Moment platzen. Alles war so furchtbar. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Und immer diese Blicke von Kleen und Baumann.«
»Und Wilken? Wie hat der sich verhalten?«
»Das kam ja auch noch dazu. Der war mir gegenüber plötzlich so … zuvorkommend. Wir hatten zwar in der Vergangenheit durchaus einige gute Gespräche miteinander geführt, aber sein Verhalten wurde irgendwie … anbiedernd.« Katharina Arends schluckte heftig. »Das hat mich noch mehr verunsichert. Warum war der mit einem Mal so?«
»Haben Sie ihn nicht drauf angesprochen?«, fragte Oda.
Die Soldatin senkte den Blick. »Nein. Ich … konnte nicht. Ich hab mich …«, ihre Zungenspitze schnellte kurz zwischen den Lippen hervor. »Ich kann nur wiederholen: Da war diese unendliche Scham. Und die Angst, dass doch alles stimmte.«
»Aber irgendwann haben Sie
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