Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
Zaubermaus aufbewahrt hat. Der würde man das doch im Leben nicht zutrauen.«
»Aber die beiden waren doch getrennt«, wandte Christine ein. »Würde Nora Brandis solche Dinge auch nach dem Ende der Beziehung bei sich aufbewahren?«
»Ach Christine.« Oda sah ihre Kollegin nachsichtig an. Manchmal war Christine so was von naiv, dass in Oda automatisch die beschützende mütterliche Seite zum Vorschein kam. »Nora Brandis und Fabian Baumann waren mehrere Jahre liiert. Er war wohl ihr erster richtiger, also ihr erster intimer Freund. Und so, wie sie es formuliert hat«, Oda sah die dicke fragende Falte auf Christines Stirn und korrigierte sich augenblicklich, »oder wie ich es verstanden habe, ging die Trennung nicht von dem Mädel aus. Wenn ich also meine Lebenserfahrung zugrunde lege, stelle ich die Behauptung auf, dass Nora Brandis nicht alles, was mit Fabian Baumann zu tun hatte, gleich in den Müll geschmissen hat. In der Hoffnung, dass sie wieder zusammenkommen.«
»Also Durchsuchung bei Brandis«, stimmte Christine zu. Auch Nieksteit, Siebelt und Lemke nickten.
»Dann wollen wir hoffen, dass euch eure weibliche Intuition nicht trügt«, sagte Steegmann mit einem Unterton, für den Oda ihm am liebsten einen Tritt gegens Schienbein gegeben hätte. Musste der immer so auf überheblich machen? Was fand Christine nur an dem? Sie zwang sich, zurück zum Thema zu kommen.
»Liegen uns inzwischen die Listen seiner letzten Gespräche vor?«
»Ja.« Logisch, etwas anderes hätte sie auf diese Frage auch nicht erwartet, immerhin kümmerte sich Lemke um solche Dinge. »Der letzte Standort, an dem Fabian Baumann einen Anruf erhielt, liegt im Bereich des Nassauhafens. Das Gespräch dauerte knapp drei Minuten.«
»Wer war der Gesprächspartner, und um welche Uhrzeit wurde er angerufen?«
»Den Anrufer kann man nicht ausfindig machen. Eine Prepaid-Karte, angemeldet auf einen nicht existenten Namen. Die Uhrzeit: am Abend seines Todes um kurz vor zehn. Er ist im Seglerheim gewesen.« Lemke griente. »Ich bin mit dem Chef des Seglerheims zur Schule gegangen und hab ihn einfach angerufen, als ich die Telefondaten hatte.«
Augenblicklich sahen alle Anwesenden Lemke überrascht an. Denn es kam äußerst selten vor, dass er selbst aktiv wurde.
»Werner erinnert sich noch an den Abend, weil außer einer Gruppe Segler, die schon ihre Weihnachtsfeier im hinteren Bereich abhielt, nicht viel los war. Fabian Baumann war mit zwei anderen Männern da.«
»Und das weiß er so genau?«, zweifelte Oda.
»Fabian Baumann war seit seiner Kindheit Segler und gehört dem Verein an. Klar kennt er den. Außerdem wurde am nächsten Morgen seine Leiche praktisch bei ihm um die Ecke gefunden.«
»Ach so. Weiß dein Kumpel denn auch, wer Baumanns Begleitung war?«, fragte Siebelt.
»Er sprach von zwei Freunden.«
»Kennt dein Schulfreund die?«, fragte Christine.
»Segler waren es nicht.«
»Vielleicht Kameraden vom Schiff?«, vermutete Oda.
»Konnte er nicht sagen. Die waren nicht in Uniform da, sondern haben zu dritt dort gegessen und ein paar Bierchen getrunken.«
»Würde dein Freund die beiden anderen Männer auf Fotos wiedererkennen?«
»Hab ich ihn jetzt nicht gefragt, müsste man versuchen.«
* * *
»Darf ich mich zu dir setzen?« Als Volker in der Mittagspause die Messe betrat, saß Katharina allein an einem der nicht gerade üppig bemessenen Tische. Sie sah zu ihm auf.
»Ähm … ja?« Das klang eher wie: »Was ist denn jetzt los?«, und augenblicklich bereute Volker, gefragt zu haben. Er blickte sich beiläufig um, aber die Kameraden am Nebentisch schienen ihnen keine Bedeutung beizumessen. Schnell setzte er sich, bevor er doch noch komisch auffiel. Die Schüsseln auf dem Tisch dampften, der Pantry hatte die Kartoffeln, den Brokkoli, eine Platte mit Schweinebraten und eine Sauciere bereits hingestellt.
»Entschuldige«, sagte er in dem Versuch, alles normal aussehen zu lassen, und zog die Kartoffeln zu sich heran.
Katharina nickte wortlos.
»Ich hab gedacht … aber das war wohl falsch.«
»Was hast du gedacht?«
Am Nebentisch wurde gelacht. Volker bemühte sich, nicht hinzuhören. Er konnte nicht begreifen, wie schnell sich die anderen dem Alltag zuwandten, anscheinend kaum betroffen von dem, was Fabian zugestoßen war. Wie, um alles in der Welt, konnten sie derart ausgelassen sein? Verdammt! Sie waren hier an Bord doch alle ein Team! Eine Mannschaft, eine Familie! Gerade wenn es auf Einsätze am Horn von Afrika ging.
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