Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
wohl schöne Wachträume davon bekommen«, versuchte sie sich an einer Erklärung, warf einen kurzen Blick auf die Tüte, senkte den Kopf und sah Lutz von unten her an.
»Du lügst.« Seine Stimme klang wie ein Peitschenknall.
Freitag
»Es ist zum Mäusemelken«, sagte Christine wütend und schmiss die Handakte mit den Ergebnissen der Durchsuchung von Nora Brandis’ Räumen auf Nieksteits Schreibtisch. »Wieder nichts. Das kann doch nicht angehen. Irgendwo müssen diese bescheuerten Pilze und das andere Zeug sein, das er vor Kurzem erst geliefert bekam!«
Nieksteit, Oda und Lemke sahen sie verdutzt an, denn es kam äußerst selten vor, dass Christine sich gehen ließ.
Oda saß auf der Kante von Nieksteits Schreibtisch, Christine lehnte am Sideboard, beide hatten einen Becher Kaffee in der Hand. Christine trank entkoffeiniert; sie hatte erst kürzlich eine dieser Kaffeepad-Maschinen mit in die Küche der Polizeiinspektion gebracht, weil sie den Kaffee, den die Kollegen kochten, einfach nicht vertrug. »Herzhüpferkaffee«, sagte Nieksteit immer dazu, und ihm schien es nichts auszumachen. Bei Christine allerdings reichten zwei Becher der Mixtur, um ihren Herzschlag auf Höchstfrequenz zu bringen. Das war ihr nicht mal nach dem Genuss eines Kaffees auf einem türkischen Basar so ergangen, dabei hieß es doch in einem alten Kinderlied von Carl Gottlieb Hering: » C A F F E E , trink nicht so viel Kaffee. Nicht für Kinder ist der Türkentrank, schwächt die Nerven, macht dich blass und krank. Sei doch kein Muselmann, der das nicht lassen kann.«
Ein Muselmann oder eine Muselfrau war Christine in diesem Sinne sicher nicht, sie trank zwar gern Kaffee, aber eben doch lieber ohne Koffein.
Als nun alle drei Kollegen Christine verdutzt anguckten, sagte sie nur: »Ach, ist doch wahr.«
Sie hatten sich viel von der Durchsuchung bei Nora Brandis versprochen, wo doch die Spurensicherung auf der »Jever« nichts gefunden hatte. Der Kommandant war sehr hilfsbereit gewesen und hatte darauf hingewiesen, dass Baumann als DO nicht nur die eigene Kammer, sondern noch weitere Räume als Versteck zur Verfügung standen: die Vorpiek, die RAS -Last, die Tau-Last, die Farb-Last, der Kettenkasten und einige mehr. Zwar hatte Baumann in keinem dieser Räume ein alleiniges Aufenthaltsrecht, aber sie seien voll von Verstecken, hatte Tieden gesagt. Der Vorteil sei, dass die meisten dieser Räume derartig voller »Fremdgerüche« waren, dass selbst Drogenhunde nicht fündig würden. Deshalb setzten die Feldjäger sie an Bord nicht ein. Doch auch dort hatten Manssen und sein Team vergeblich gesucht.
»Da mauert jemand«, vermutete Oda.
»Aber warum?«, fragte Christine. »Das ergibt doch alles keinen Sinn. Krüger hat Pilze und andere Substanzen im Urin und bei der Haaranalyse nachgewiesen und geht davon aus, dass Baumann sich schon länger an derartigen Dingen erfreute. Um es positiv auszudrücken.« Christine griff sich in die offenen Haare und fasste sie am Hinterkopf zu einem Zopf zusammen, um sie gleich darauf wieder loszulassen; ein Zopfband hatte sie gerade nicht am Handgelenk. »Ich frag mich, warum wir nur Reste davon gefunden haben, wo wir doch wissen, dass er es öfter genommen hat.«
»Ich hab mal im Netz recherchiert«, sagte Oda, und nun richteten sich die überraschten Blicke ihrer Kollegen auf sie. Denn so berühmt Oda für ihr phänomenales Gedächtnis war, so berüchtigt war ihr Platz auf der Rangliste derer, die mehr oder minder geschickt Informationen aus dem Internet bezogen: Hier hinkte sie auf dem mindestens vorletzten Platz allen anderen hinterher. Der letzte gehörte ganz eindeutig dem Chef. Aber er war ja eben auch Chef und konnte delegieren. Solange er manchmal ein Trumpf-Ass aus dem Ärmel zog, tolerierte man seine vermeintlichen geistigen Abwesenheiten und seine ständigen Termine außer Haus. Siebelt hatte sich ein Netzwerk aufgebaut, an das keiner von ihnen herankam. Und allein schon deshalb war er auf dem Chefsessel richtig. »Baumann muss in gewisser Weise abhängig von diesem Zeug gewesen sein. Ich hab seine Erfahrungsberichte auf der Internetseite des Anbieters gefunden.«
» Du hast die gefunden?«, fragte Nieksteit spottend.
»Ja. Auch ich bin schließlich lernfähig«, sagte Oda stolz. Die anderen drei lachten. »Aber ich hab Alex zwischendurch kurz telefonisch um Hilfe gebeten«, gab sie zu.
»Hat er die Berichte denn unter seinem Namen gepostet?«, fragte Nieksteit verwundert.
»Nee«, sagte
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