Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
Zweifel daran geben, dass dies die Aufnahme eines wie auch immer gearteten Sexualaktes war.
»Guck mal.« Ohne weiteren Kommentar warf Christine das Foto auf das Schaubild, an dem Oda gerade saß.
»Uups, was ist das denn?« Oda betrachtete das Bild eingehend, ohne es jedoch zu berühren. Mit einem Bleistift fuhr sie darunter und drehte es um. Doch es gab keinen Kommentar auf der Rückseite. Nichts. »Ist ein Schreiben dabei?«
Christine warf einen weiteren Blick in den Umschlag. »Nein. Nur das Bild. Sonst nichts.«
»Schade.« Oda sog die Luft durch die Zähne. »Was meinst du, ob es mit unserem Fall in Verbindung steht?« Ohne Christines Antwort abzuwarten, griff sie zum Telefon. »Ja, Oda hier«, sagte sie kurz darauf. »Christine hat nette Post bekommen. Ohne Absender. Ein Foto, das ihr mal untersuchen solltet. Ich tüte es gleich ein, Christine hat es allerdings schon in den Fingern gehabt. – Klar, natürlich pack ich auch den Umschlag ein. – Ja, manchmal sind die Absender so doof. – Manssen! Das … weiß … ich … alles. Wollte dich nur schon mal vorwarnen, kein Grund, mir eine Predigt aus dem Lehrbuch zu halten.« Oda legte auf. »Dieser Kerl«, sagte sie und grinste dabei.
* * *
Als Volker heute in seinem Auto nach Hause fuhr, war er froh, Feierabend zu haben. Rauszukommen aus den grauen Metallwänden der Fregatte, in denen er sich normalerweise wohlfühlte. Etwas jedoch hatte sich verändert durch Fabians und Maltes Tod, und er hatte das Gefühl, dass dieses Etwas auch ihn einzukesseln begann. Es wirkte geradezu beklemmend.
Wieder einmal fand er keine Parklücke vor seinem Hauseingang, so drehte er noch eine Runde und ließ den Wagen letzten Endes auf dem großen Parkplatz des Netto-Marktes stehen. Früher, als die Häuser gebaut worden waren und die Stadtplaner ihre Ideen entwickelt hatten, wäre kein Mensch darauf gekommen, dass irgendwann zu jeder Wohnung nicht nur ein, sondern oft sogar zwei Autos gehören könnten. Aber das war eben früher, und jetzt hätte er gern direkt vor seinem Hauseingang geparkt. Da er aber eh schon auf dem Netto-Parkplatz war, lag es nahe, noch schnell einen Sechserträger Pils, ein wenig Rucola, Serrano-Schinken und Parmesan zu kaufen, dann würde er sich einen genussvollen Abend zu Hause machen. Balsamico-Creme hatte er immer im Kühlschrank.
Die Plastiktüte war nicht schwer; den Sechserträger trug er in der anderen Hand. Er lief über den Heppenser Berg – der natürlich kein Berg, sondern eine Warft war – auf den angrenzenden Friedhof der St.-Nikolai-Kirche. Hier waren sowohl seine Oma als auch seine Tante und seine Urgroßeltern beerdigt.
Volker kam oft her. An seiner Oma hatte er sehr gehangen, und immer, wenn ihn etwas plagte, führte er hier ein stilles Zwiegespräch mit ihr. Natürlich kam er auch sonst, buddelte Pflanzen aus, die nicht mehr so schön waren, ersetzte sie durch andere und »goss« seine Oma, damit sie nicht »austrocknete«, obwohl seine Eltern und auch sein Onkel und seine Tante ebenfalls regelmäßig kamen. Aber irgendwie fühlte er sich ihr besonders verpflichtet, immerhin hatte er ihre Wohnung übernommen und lebte ja quasi in direkter Nachbarschaft zu ihr.
»Ach Oma«, sagte er mit einer gewissen Verzweiflung, als er vor dem schwarzen Granitgrabstein mit der goldenen Inschrift stand. »Was hab ich da nur für einen Mist gemacht.« Er ging in die Hocke, denn er wollte nicht, dass andere Friedhofsbesucher hörten, was er sagte. Aber er musste es aussprechen, das war nichts, was er rein in Gedanken mit seiner Oma klären konnte. »Jetzt ist da so viel Chaos. Fabi ist tot. Und Malte auch. Ich hab solche Angst, dass das was mit dieser Sache zu tun hat. Und ich hab Angst, dass ich vielleicht auch … irgendwie … Aber ich kann mit keinem drüber reden. Was soll ich nur tun?«
Als ob sie ebenfalls eine Meinung dazu hätten, schlugen die Glocken der alten Kirche die halbe Stunde. Volker erhob sich. »Hör auf dein Herz«, vernahm er Omas Antwort in seinem Inneren. »Aber lass deinen Verstand nicht außer Acht, mein Junge. Und vertrau dir selbst.«
»Danke, Omi.« Wie immer tätschelte er zur Verabschiedung den Grabstein und lief mit einem erleichterten Gefühl die wenigen Meter über den Friedhof zur Saarbrücker Straße, vorbei am Grab seiner viel zu früh verstorbenen Tante, der er jedes Mal einen Handkuss schickte. Noch heute hatte er sie als fröhliche Frau in Erinnerung. Die Nachmittage in ihrem Schrebergarten und das
Weitere Kostenlose Bücher