Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
nicht.
»Mann, nun mach’s mir doch nicht so schwer. Natürlich schießt du supertolle Bilder, aber«, endlich hatte Oda den Punkt gefunden, mit dem sie dem Ganzen eine Kehrtwendung ins Normale geben konnte, »du machst das ja nicht als Brotjob.«
»Bitte?«
»Na, du machst das, weil du Spaß dran hast«, beeilte sie sich zu sagen, »du musst ja nicht davon leben.«
Lemke sog erbost die Luft ein, aber bevor er etwas entgegnen konnte, sagte Oda schnell: »Lass uns doch lieber wieder zum Punkt kommen. Zu dem Foto, das bearbeitet und verfremdet wurde, bevor man es uns schickte. Da stellt sich die Frage, warum. Was bezweckt derjenige damit, uns ein Foto, das, wie unser Experte Lemke sagt, im Original gestochen scharf sein muss, in dieser verfremdeten Form zu präsentieren?«
»Da hat jemand Spaß am Spiel«, vermutete Lemke.
»Genau. Das ist ein Puzzlestück«, ergänzte Nieksteit.
»Also, mich erinnert es an dieses alte Fernsehquiz-Spiel mit der Kameralinse. Da wurde ein Bild Stück für Stück freigegeben, wobei es aber mit jedem neuen Element weniger Punkte fürs Erkennen gab. Wer hat das denn damals noch moderiert? Peter Frankenfeld oder Hans Rosenthal?« Oda überlegte. »Na, ist ja auch wurscht. Ihr habt recht, ich glaub auch, dass wir es mit einem Spieler zu tun haben. Einem, der Gefallen daran hat, uns Brosamen hinzuwerfen, die wir aufpicken sollen.«
Christine schürzte ablehnend die Lippen. »Nein, das glaube ich nicht. Es ist so viel Aufwand mit der Bearbeitung des Fotos betrieben worden, ich würde sonst was wetten, dass es für den Absender alles andere als ein Spiel ist. Weil er mit der Person auf dem Foto in einer engen persönlichen Beziehung steht.«
Oda konnte ein Seufzen nicht unterdrücken. »Liebchen«, sagte sie – ihre Tante hatte sie immer Liebchen genannt, und sie fand das eine nette Umschreibung für Dummchen –, »natürlich steht der Absender des Fotos mit der abgebildeten Person in enger persönlicher Beziehung. Wenn dem nicht so wäre, hätten wir das Original bekommen. Hier hat sich aber jemand ungewöhnlich viel Mühe gegeben, Dinge uns gegenüber unkenntlich zu machen. Und das wiederum wirft die Frage auf, wozu das geschah.«
* * *
Ute Baumann erwachte auch nach dem Nachmittagsschläfchen noch mit einem fürchterlichen Kater. Das war nichts Neues, das kannte sie. Sie hatte nicht erst seit Fabians Tod mit dem Trinken begonnen.
Schlimm waren nur die Erinnerungslücken. Sie wachte morgens auf und wusste nicht mehr, was sie die letzten Stunden am Vorabend getan hatte. Dabei meinte sie allabendlich, sich völlig unter Kontrolle zu haben und relativ klar ins Bett zu gehen. Dass dem nicht so war, stellte sie erst fest, wenn Saskia, Lutz oder Fabian mit ihr am nächsten Tag eine am Abend begonnene Unterhaltung fortführen wollten oder Bezug darauf nahmen. Oder wenn Lutz sie wieder einmal wegen etwas zur Rede stellte, was sie am Vorabend gesagt oder getan haben sollte.
Er gab sich nachsichtig. Scheinheilig nachsichtig. Auch wenn er im letzten Jahr mehrfach darauf gedrängt hatte, dass sie eine private Entziehungskur machte. Er würde sich um Diskretion kümmern, hatte er gesagt. Dieser Blödmann. Diskretion. Eigennutz war es, weiter nichts. Damit niemand mitbekam, dass es in seiner Supervorzeigefamilie nicht richtiglief. Nach außen hin alles gut, so sollte es wirken.
Aber so war es nicht. Nicht mehr. Sie hatte Lutz geheiratet, weil er ihr ein Leben in Wohlstand hatte bieten können. Er war attraktiv – auch heute noch –, kam bei den Frauen an, und es hatte ihr sehr geschmeichelt, dass er sich um sie bemühte. Ihre Freundinnen hatten sie beneidet, was zusätzlicher Anreiz war. Und am Tag ihrer Hochzeit hatte vor allem das Gefühl, eine Trophäe gewonnen zu haben, überwogen. Dass Lutz in den ersten Jahren ihrer Ehe viel auf See gewesen war, sodass sie ein recht freies Leben hatte führen können, war erfreulicherweise noch hinzugekommen. In den kurzen Perioden, wenn er zwischen zwei Einsätzen daheim gewesen war, hatten sie sich arrangiert. Keine großen Gefühle. Eine hervorragend funktionierende Vernunftehe. Sie waren beliebte Gastgeber und gern gesehene Gäste bei offiziellen Empfängen, den Treffen der Service-Clubs – Lutz mischte in vielen Vereinen mit – oder in kleinerer Runde. Sie gehörten dazu. Ute hatte stets das Gefühl gehabt, dass auch Lutz zufrieden mit diesem Leben war.
Bis Fabian Nora angeschleppt hatte. Nora, die im Gegensatz zu ihren zahlreichen
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