Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
einen Schluck und stellte das Glas langsam zurück. »Ich glaube, wirklich privat kannte ich die beiden nicht.«
Oda registrierte ein kurzes Aufblitzen in Volker Wilkens Gesicht, konnte es jedoch nicht deuten. »Nicht?«, fragte sie überrascht. »Sie haben mir doch gerade selbst erzählt, dass Sie an Bord nur etwas über hundertsechzig Mann Besatzung sind. Da muss man sich doch auch privat kennen.«
Katharina Arends lächelte. »Nein. Das muss man nicht. Es ist abhängig von der … ja, sagen wir mal Hierarchie bei uns an Bord. Da hat man nicht mit jedem der Kameraden zu tun, kennt sie aber sicherlich vom Sehen. Stellen Sie sich das wie in einer Firma vor. Man pflegt nicht zu jedem Kameraden privaten Umgang. Und so hatte ich weder zu Baumann noch zu Kleen engeren Kontakt.«
»Aber zu Herrn Wilken?« Oda guckte von der jungen Frau zu Volker Wilken.
Katharina Arends blickte ebenso direkt erst Oda, dann ihn an. »Ja«, sagte sie, und dieses Ja klang etwas gedehnt. »Zu Zwo NO Wilken habe ich eine andere Beziehung als zu DO Baumann oder Zwo SVM Kleen.«
Christine trat zu ihnen und setzte sich neben Oda, die sich davon nicht unterbrechen ließ.
»Hat Fabian Baumann an Bord mit Drogen gehandelt?«, fragte sie leichthin. Sie ging absichtlich nicht auf Katharina Arends letzten Satz ein. Darauf würde sie zu gegebenem Zeitpunkt zurückkommen. Überraschende Fragen brachten manchmal überraschende Antworten, das war eine Methode, auf die sie gern setzte.
»Mit Drogen gehandelt?« An dieser Stelle mischte sich Volker Wilken ins Gespräch ein. Wie ein kleiner Ritter, das jedenfalls war das Erste, was Oda in den Sinn kam. »Ich wüsste nicht, dass Fabian überhaupt damit zu tun gehabt hätte.«
»Och, Herr Wilken.« Oda legte die Stirn in Falten und kräuselte die Lippen. »Nun tun Sie doch nicht so. Wir wissen, dass Baumann selbst regelmäßig Drogen nahm und außerdem ausreichend Vorrat besaß, um locker einige Kameraden mitversorgen zu können.«
»Das glaub ich nicht. Für uns Soldaten gibt es bei Drogen keinerlei Toleranz. Wenn man damit erwischt wird, setzt man seine gesamte Existenz aufs Spiel.« Wilken wirkte ehrlich überrascht.
Oda warf einen Blick zu der jungen Frau an seiner Seite. Die machte ebenfalls ein Gesicht, dem kein Schuldbewusstsein anzusehen war.
»Sie behaupten allen Ernstes, nichts davon gewusst zu haben?«, fragte Christine.
»Nein. Wirklich nicht! Ich hab mit Fabian regelmäßig Skat gespielt. Dabei gab’s Bier und manchmal auch ’nen Korn. Aber nichts Härteres. Dass er mit Drogen zu tun gehabt haben soll, ist mir völlig neu. Und gehandelt hat er garantiert nicht damit. Dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen.«
Im Augenwinkel registrierte Oda, wie Wilkens Kameradin spöttisch das Gesicht verzog. Sie schien nicht so viel von Baumann zu halten.
Sie versuchte ein zweites Mal, Zugang zu Katharina Arends zu bekommen. »Sie verkehrten also weder mit Fabian Baumann noch mit Malte Kleen freundschaftlich?«
Ein schroffes »Nein« war die Antwort. Dann jedoch korrigierte sich die Soldatin mit einem Lächeln. »Die beiden waren mir zu … ja, wie soll ich das sagen … zu sehr von sich selbst überzeugt. Arrogant bis zum Gehtnichtmehr. Und alles, was von oben kam, nahmen sie als unantastbar hin.«
»Das ist ja nun mal das Los der Soldaten«, sagte Oda lax. »Ich weiß nicht, wo darin Arroganz liegen sollte.«
»Verstehen Sie mich nicht falsch. Natürlich stehe ich voll und ganz hinter dem, was wir im Auftrag der Marine tun. Die Unterstützung der Mission ATALANTA ist überaus wichtig, wir sorgen dafür, dass Handelswege frei bleiben und Menschen versorgt werden können.« Katharina Arends machte eine Pause. »Jetzt habe ich den Faden verloren«, gestand sie.
»Sie wollten mir erklären, warum sie Malte Kleen und Fabian Baumann für arrogant und selbstgerecht hielten«, half Oda ihr auf die Sprünge.
»Genau. Es war dieses Von-oben-herab-Getue, das ich nicht mochte. Nur Fabians Freundin war mir immer sympathisch, die ist ganz anders. Nora und ich machen zusammen Judo. Wir sind im selben Verein, kennen uns seit vielen Jahren. Allerdings haben wir unterschiedliche Gürtel. Ich trage den blauen Kyu, das ist der vorletzte Schülergürtel, Nora hat den zweiten Dan, sie trägt den schwarzen Gürtel. Aber das wissen Sie ja wahrscheinlich längst.«
Oda versuchte so zu tun, als ob das tatsächlich nichts Neues für sie war. Innerlich jedoch mischte sie die Karten neu, und nach jedem Mischen
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