Wahn - Duma Key
für ältere Dame und Verwalter für mehrere hochklassige Ferienhäuser auf einer Insel. Bewerber muss Lebenslauf und Referenzen vorlegen, die dem ausgezeichneten Gehalt plus Sozialleistungen entsprechen. Dies ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die für die richtige Person befriedigend sein kann. Finanzielle Absicherung notwendig.‹ Nun, ich war finanziell abgesichert, und mir gefiel der Tenor dieser Anzeige. Ich habe mich Miss Eastlakes Anwalt vorgestellt. Er hat mir erzählt, das Ehepaar, das die Position bisher innegehabt habe, sei nach New England zurückgerufen worden, weil seine oder ihre Eltern einen schrecklichen Unfall erlitten hätten.«
»Und du hast den Job bekommen. Was war mit...« Ich deutete auf seine Schläfe.
»Er war im Zweifel - hat sich vermutlich gefragt, wieso ein Anwalt aus Omaha ein Jahr damit verbringen wollen würde, eine alte Dame zu Bett zu bringen und an den Türen von Häusern zu rütteln, die ohnehin die meiste Zeit leer stehen -, aber Miss Eastlake...« Er streckte eine Hand aus und streichelte ihre knotige Rechte. »Wir haben uns auf Anhieb verstanden, nicht wahr, meine Liebe?«
Sie schnarchte nur, aber ich sah den Ausdruck auf Wiremans Gesicht und spürte diesen kalten Finger wieder im Genick, diesmal etwas nachdrücklicher. Ich fühlte und wusste: Wir drei waren hier, weil etwas uns hier haben wollte. Mein Wissen beruhte nicht auf der Art Logik, mit der ich aufgewachsen war und mit der ich meine Firma aufgebaut hatte, aber das war in Ordnung. Hier auf Duma Key war ich ein anderer Mensch, und die einzige Logik, die ich brauchte, kam von meinen Nervenenden.
»Ich halte große Stücke auf sie, weißt du«, sagte Wireman. Er griff mit einem Seufzer nach seiner Serviette, als wäre sie bleischwer, und fuhr sich über die Augen. »Als ich hier angekommen bin, war all der verrückte, fiebrige Scheiß, von dem ich dir erzählt habe, schlagartig verschwunden. Ich war ausgepowert - ein grauer Mann in einem blauen, sonnigen Klima, der nur ganz kurz Zeitung lesen konnte, ohne dafür mit rasenden Kopfschmerzen bestraft zu werden. Ich habe mich an eine Grundidee geklammert: Ich hatte eine Schuld abzutragen. Arbeit zu tun. Ich würde sie finden und tun. Was danach kam, war mir egal. Miss Eastlake hat mich nicht angestellt, nicht im eigentlichen Sinn des Wortes; sie hat mich aufgenommen. Bei meiner Ankunft war sie nicht wie jetzt, Edgar. Sie war intelligent, sie war witzig, sie war hochmütig, kokett, launisch und anspruchsvoll - wenn es ihr einfiel, konnte sie mich aus heiterem Himmel herumkommandieren oder ausgesprochen liebenswürdig sein, und es ist ihr oft eingefallen.«
»Klingt nach einer tollen Frau.«
»Sie war eine tolle Frau. Jede andere säße inzwischen längst im Rollstuhl. Aber nicht sie. Sie stemmt ihre neunzig Kilo an dem Gehwägelchen hoch und stapft durch dieses klimatisierte Museum, im Freien über den Innenhof... sie hatte sogar Spaß am Scheibenschießen, manchmal mit einer der alten Pistolen ihres Vaters, aber öfter mit dieser Harpunenpistole, weil ihr Rückschlag schwächer ist. Und weil ihr der Schussknall gefällt, sagt sie. Sieht man sie mit diesem Ding in der Hand, könnte man sie wirklich für die Tochter des Paten halten.«
»Genauso habe ich sie das erste Mal gesehen«, sagte ich.
»Ich mochte sie auf Anhieb, und ich habe sie lieben gelernt. Julia hat mich mi compañero genannt. Daran denke ich oft, wenn ich mit Miss Eastlake zusammen bin. Sie ist mi compañera, mi amiga . Sie hat mir geholfen, mein Herz wiederzufinden, als ich glaubte, es verloren zu haben.«
»Glück gehabt, würde ich sagen.«
»Vielleicht sí , vielleicht no . Eines kann ich dir sagen: Es wird schwer werden, sie zu verlassen. Was wird sie tun, wenn ein neuer Betreuer aufkreuzt? Ein Neuer wird nicht wissen, dass sie ihren Morgenkaffee gern am Ende des Holzstegs trinkt … oder dass er vorgeben muss, diese verdammte Keksdose in den Goldfischteich zu schmeißen... und sie wird es ihm nicht erklären können, weil sie jetzt endgültig in den Nebel unterwegs ist.«
Als er sich mir zuwandte, sah er abgehärmt und ziemlich verzweifelt aus.
»Ich schreibe alles auf, ja, das tue ich - unsere gesamte Routine.Von morgens bis abends. Und du sorgst dafür, dass der neue Betreuer sich daran hält. Das tust du doch, Edgar? Ich meine, du magst sie auch, nicht wahr? Du würdest nicht wollen, dass sie irgendwie leidet. Und Jack! Vielleicht kann er ein bisschen aushelfen. Ich weiß, dass das viel
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