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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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genauso geredet wie in alten Zeiten!« Sie machte eine Pause, um Atem zu holen, und als sie wieder sprach, klang sie nicht mehr ganz so ausgelassen. »Na ja... nicht ganz, aber es muss reichen.«
    »Ich weiß, was du meinst, Gummibärchen.«
    »Daddy, du bist echt erstaunlich. Dies ist ein eineinhalbfaches Comeback.«
    »Wie viel werden diese ganzen Schmeicheleien mich kosten?«
    »Millionen«, sagte sie und lachte.
    »Hast du noch vor, zur Tournee der Hummingbirds zu stoßen?« Ich bemühte mich, nur interessiert zu klingen. Nicht sonderlich besorgt wegen des Liebeslebens meiner fast zwanzigjährigen Tochter.
    »Nein«, sagte sie. »Das ist passé, denke ich.« Nur fünf Wörter, noch dazu kurze, aber in diesen fünf Wörtern hörte ich die veränderte, reifere Illy, die sich in vielleicht nicht allzu ferner Zukunft in einem Hosenanzug mit Strumpfhose und Pumps mit praktischen mittelhohen Absätzen wohlfühlen, ihr Haar tagsüber zu einem Nackenknoten zusammengefasst tragen und vielleicht mit einem Aktenkoffer in Flughafenterminals unterwegs sein würde, statt einen Rucksack von Gap über der Schulter zu haben. Kein If-So-Girl mehr; in dieser Vision konnte man jegliches If streichen. Das Girl übrigens auch.
    »Die ganze Sache oder...«
    »Das bleibt abzuwarten.«
    »Ich will dich nicht aushorchen, Schätzchen. Aber besorgte Väter...«
    »...wollen nun einmal Klarheit, natürlich wollen sie das, aber diesmal kann ich dir leider nicht helfen. Im Augenblick weiß ich nur, dass ich ihn noch immer liebe - zumindest denke ich das - und dass er mir fehlt, aber er muss sich entscheiden.«
    An dieser Stelle hätte Pam gefragt: Zwischen dir und dem Mädchen, mit dem er singt? Ich dagegen fragte: »Isst du genug?«
    Sie brach in fröhliches Lachen aus.
    »Beantworte meine Frage, Illy.«
    »Wie ein Mastschwein!«
    »Warum bist du dann jetzt nicht beim Mittagessen?«
    »Ein paar von uns wollen sich zum Picknick im Park treffen, deshalb. Komplett mit Anthro-Skripten und Frisbees. Ich bringe den Käse und Baguettes mit. Und ich bin schon zu spät dran.«
    »Okay. Solange du isst und nicht in deinem Zelt vor dich hin brütest.«
    »Esse gut, brüte maßvoll.« Ihre Stimme veränderte sich, wurde wieder eine Erwachsenenstimme. Diese abrupten Wechsel waren verwirrend. »Manchmal liege ich ein bisschen wach, und dann denke ich an dich dort unten. Liegst du manchmal auch wach?«
    »Manchmal. Inzwischen seltener.«
    »Daddy, war deine Heirat mit Mama ein Fehler, den du gemacht hast? Den sie gemacht hat? Oder war’s nur Zufall?«
    »Es war kein Zufall, auch kein Fehler. Vierundzwanzig gute Jahre, zwei Töchter, die uns Freude machen, und wir reden noch miteinander. Das war kein Fehler, Illy.«
    »Du würdest nichts ungeschehen machen wollen?«
    Das fragten die Leute mich dauernd. »Nein.«
    »Wenn du zurückgehen könntest... würdest du’s tun?«
    Ich zögerte, aber nicht lange. Manchmal hat man keine Zeit, sich die beste Antwort zu überlegen. Manchmal kann man nur die Wahrheit sagen. »Nein, Schätzchen.«
    »Okay. Aber du fehlst mir, Dad.«
    »Du fehlst mir auch.«
    »Manchmal sehne ich mich auch nach den alten Zeiten. Als vieles weniger kompliziert war.« Sie machte eine Pause. Ich hätte sprechen können - wollte etwas sagen -, hielt aber den Mund. Manchmal ist Schweigen die beste Lösung. »Daddy, haben Leute jemals eine zweite Chance verdient?«
    Ich dachte an meine eigene zweite Chance.Wie ich einen Unfall überlebt hatte, der mich das Leben hätte kosten müssen. Und jetzt tat ich offenbar mehr, als nur im Ruhestand zu faulenzen. Ich fühlte Dankbarkeit in mir aufwallen. »Immer!«
    »Danke, Daddy. Ich kann’s kaum erwarten, dich wiederzusehen.«
    »Gleichfalls. In Kürze kriegst du eine offizielle Einladung.«
    »Okay. Ich muss jetzt wirklich los. Hab dich lieb.«
    »Hab dich auch lieb.«
    Nachdem sie aufgelegt hatte, saß ich noch einen Augenblick mit dem Telefon am Ohr da und horchte auf nichts. »Lebe den Tag, und lass den Tag dich leben!«, sagte ich. Dann war wieder der Wählton zu hören, und ich überlegte mir, dass ich doch noch ein Gespräch zu führen hatte.
     
     
     
     
     
     
    VIII Als Alice Aucoin sich diesmal am Telefon meldete, war sie weitaus lebhafter und viel weniger vorsichtig. Eine erfreuliche Veränderung, fand ich.
    »Alice, wir haben nie über einen Titel für die Ausstellung gesprochen«, sagte ich.
    »Ich habe irgendwie angenommen, sie sollte ›Aus Muscheln wachsen Rosen‹ heißen«, sagte

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