Wahn - Duma Key
sie.
»Na ja, jedenfalls habe ich nur ein paar Stunden geschlafen und bin dann aufgestanden, weil es hell wurde. Und wen sonst hätte ich bei einem Blick aus dem Fenster am Pool sitzen sehen sollen außer meinem Vater, dazu noch ganz allein?«
»Konnte nicht mehr schlafen. Ich hoffe nur, dass ich deine Mutter nicht ge…« Ich machte eine Pause, weil Ilse große runde Augen machte. »Komm nicht auf falsche Ideen, Miss Cookie. Das war rein zum Trost.«
Es war nicht rein zum Trost gewesen, aber was es wirklich gewesen war, wollte ich nicht gemeinsam mit meiner Tochter ergründen. Mit mir selbst übrigens auch nicht.
Sie sackte leicht zusammen, dann setzte sie sich wieder auf und sah mich an: den Kopf leicht schief gelegt, die Anfänge eines Lächelns um die Mundwinkel.
»Wenn du Hoffnungen hegst, ist das deine Sache«, sagte ich. »Aber ich würde dir davon abraten. Ich werde sie immer gern haben, aber manchmal entfernen sich Menschen zu weit, um noch umkehren zu können. Ich denke … ich bin mir ziemlich sicher, dass das bei uns der Fall ist.«
Sie betrachtete wieder die stille Wasserfläche des Pools, und das kleine Lächeln um ihre Mundwinkel erstarb. Ich fand es furchtbar, das Lächeln verschwinden zu sehen, aber vielleicht war es besser so. »Na gut.«
Das gab mir freie Hand, ein anderes Thema anzuschneiden. Ich hatte keine Lust dazu, aber ich war nach wie vor ihr Vater, und sie war in vieler Beziehung noch ein Kind. Was bedeutete, dass ich - sosehr ich an diesem Morgen auch um Elizabeth Eastlake trauerte oder wie verwirrt in Bezug auf meine eigene Situation ich auch sein mochte - noch immer bestimmte Pflichten zu erfüllen hatte.
»Ich muss dich was fragen, Illy.«
»Okay, klar.«
»Trägst du den Ring nicht, weil du nicht willst, dass deine Mutter ihn sieht und in die Luft geht … wofür ich vollstes Verständnis hätte... oder weil du und Carson …«
»Ich habe ihn zurückgeschickt«, sagte sie ausdruckslos, mit tonloser Stimme. Dann kicherte sie, und mir fiel ein Stein vom Herzen. »Aber mit UPS - unfrei und versichert.«
»Dann … ist es also vorbei?«
»Nun, man soll nie nie sagen.« Ihre Füße hingen ins Wasser, und sie bewegte sie langsam vor und zurück. »Carson will nicht Schluss machen, sagt er. Ich weiß auch nicht, ob ich’s will. Zumindest nicht, bevor ich sehe, wie es in einem persönlichen Gespräch läuft. Am Telefon oder per E-Mail kann man so was eigentlich nicht ausdiskutieren. Außerdem will ich sehen, ob die Anziehungskraft noch existiert, und wenn ja, wie stark sie noch ist.« Sie warf mir von der Seite einen leicht besorgten Blick zu. »Deswegen flippst du nicht aus, stimmt’s?«
»Nein, Schatz.«
»Darf ich dich was fragen?«
»Ja.«
»Wie viele zweite Chancen hast du Mama gegeben?«
Ich lächelte. »Im Lauf unserer Ehe? Ungefähr zweihundert, würde ich sagen.«
»Und wie viele hat sie dir gegeben?«
»Etwa gleich viele.«
»Hast du sie jemals …« Sie brach ab. »Das kann ich dich nicht fragen.«
Ich starrte in den Pool und spürte, wie ich auf sehr bourgeoise Weise errötete. »Da wir diese Diskussion um sechs Uhr morgens führen, noch bevor der Bademeister hier ist, und weil ich zu wissen glaube, welches Problem du mit Carson Jones hast, darfst du fragen. Die Antwort lautet nein. Kein einziges Mal. Aber wenn ich ganz ehrlich sein soll, muss ich sagen, dass das mehr Glück als tugendhafte Rechtschaffenheit war. Es gab Zeiten, da war ich dicht davor, und einmal hat wahrscheinlich nur Glück oder Schicksal oder Vorhersehung verhindert, dass es passiert ist. Ich glaube nicht, dass unsere Ehe zerbrochen wäre, wenn das … das Missgeschick passiert wäre, ich glaube, dass es schlimmere Vergehen gegen den Partner gibt, aber so was nennt man nicht umsonst Betrug. Ein Ausrutscher lässt sich als menschliche Fehlbarkeit entschuldigen. Zwei als menschliche Schwäche. Danach …« Ich zuckte mit den Schultern.
»Er sagt, dass es nur einmal war.« Ihre Stimme war kaum lauter als ein Flüstern. Ihre Fußbewegungen hatten sich zu einem verträumten Gleiten unter Wasser verlangsamt. »Er sagt, dass sie sich an ihn rangemacht hat. Und schließlich … du weißt schon.«
Klar doch. So läuft das ständig ab. Zumindest in Romanen und Filmen. Manchmal vielleicht auch im richtigen Leben. Dass etwas wie eine Zwecklüge klang, bedeutete noch längst nicht, dass es eine war.
»Das Mädchen, mit dem er singt.«
Ilse nickte. »Bridget Andreisson.«
»Die mit dem
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