Wahn - Duma Key
Mundgeruch.«
Ein schwaches Lächeln.
»Wenn ich mich recht erinnere, hast du mir vor nicht allzu langer Zeit erklärt, dass er sich entscheiden muss.«
Langes Schweigen. Dann: »Die Sache ist kompliziert.«
Das ist sie immer. Fragen Sie jeden Betrunkenen in einer Bar, den seine Frau vor die Tür gesetzt hat. Ich hielt den Mund.
»Er hat ihr gesagt, dass er sich nicht mehr mit ihr treffen will. Und die Duette sind gestrichen. Das weiß ich sicher, weil ich einige der letzten Kritiken im Internet nachgelesen habe.« Dabei errötete sie leicht, obwohl ich ihr nicht verübeln konnte, dass sie das kontrolliert hatte. Ich hätte es auch getan. »Als Mr. Fredericks - er ist der Tourneeleiter - gedroht hat, ihn nach Hause zu schicken, hat Carson ihm erklärt, dass er das von ihm aus gern tun könnte, jedenfalls würde er nicht mehr mit diesem bigotten blonden Flittchen singen.«
»Hat er das wirklich gesagt?«
Sie lächelte strahlend. »Er ist Baptist , Daddy, ich übersetze für ihn. Jedenfalls ist Carson standhaft geblieben, und Mr. Fredericks hat schließlich nachgegeben. Für mich ist das ein Punkt zu seinen Gunsten.«
Ja, dachte ich, aber er ist immer noch ein Betrüger, der sich Smiley nennt.
Ich nahm ihre Hand. »Was hast du jetzt vor?«
Sie seufzte. Der Pferdeschwanz ließ sie wie elf aussehen; dieser Seufzer ließ sie wie vierzig klingen. »Keine Ahnung. Ich bin ziemlich ratlos.«
»Dann lass dir von mir helfen. Tust du das?«
»Okay.«
»Halt dich vorläufig von ihm fern«, sagte ich und merkte, dass ich mir das von ganzem Herzen wünschte. Aber das war noch längst nicht alles. Wenn ich an den Zyklus Mädchen mit Schiff dachte - vor allem an das Mädchen in dem Ruderboot -, hätte ich sie am liebsten ermahnt, niemals mit Unbekannten zu reden, stets ihren Föhn von der Badewanne fernzuhalten und nur auf der Tartanbahn im College zu joggen. Nie in der Abenddämmerung durch den Roger Williams Park.
Sie sah mich fragend an, und ich schaffte es, wieder in die Gänge zu kommen. »Fahr zurück ins College …«
»Darüber wollte ich mit dir reden …«
Ich nickte, drückte aber ihren Arm, um zu zeigen, dass ich noch nicht ganz fertig war. »Bring dein Semester zu Ende. Leg deine Prüfungen ab. Lass Carson die Tournee beenden. Sorgt erst für einen klaren Blick, und kommt dann zusammen... verstehst du, was ich meine?«
»Ja …« Sie verstand, aber das klang nicht überzeugt.
»Wenn ihr zusammenkommt, trefft euch auf neutralem Boden. Und ich will dich nicht in Verlegenheit bringen, aber wir sind noch unter uns, deshalb sag ich’s jetzt: Das Bett ist kein neutraler Boden.«
Sie sah auf ihre Füße im Wasser hinab. Ich streckte die Hand aus und drehte ihr Gesicht zu mir her.
»Wenn die Streitpunkte nicht beigelegt sind, ist das Bett ein Schlachtfeld. An deiner Stelle würde ich mit dem Kerl nicht mal zum Essen gehen, bevor du weißt, wo ihr steht. Trefft euch in... ich weiß nicht... Boston. Setzt euch auf eine Parkbank. Verschaff dir Klarheit, und sorg dafür, dass die auch in seinem Kopf herrscht. Dann könnt ihr essen gehen. Oder zu einem Red-Sox-Spiel. Oder ins Bett, wenn du das für richtig hältst. Dass ich nicht über dein Liebesleben nachdenken will, bedeutet nicht, dass du keins haben solltest.«
Ihr Lachen war eine große Erleichterung für mich. Sein Klang bewirkte, dass ein Ober, der noch halb zu schlafen schien, herauskam und fragte, ob wir Kaffee wollten. Wir bestellten welchen. Als er verschwand, um ihn zu holen, sagte Ilse: »Also gut, Daddy, verstanden. Ich wollte dir ohnehin sagen, dass ich heute Nachmittag zurückfliege. Nächste Woche habe ich eine Anthro-Vorprüfung, und ein paar von uns haben eine kleine Lerngruppe gegründet. Wir nennen uns Survivors’ Club.« Sie musterte mich besorgt. »Wäre das okay? Ich weiß, dass du mit ein paar Tagen gerechnet hast, aber nachdem nun das mit deiner Freundin passiert ist …«
»Nein, Schatz, das ist in Ordnung.« Ich küsste sie auf die Nasenspitze, weil ich dachte, aus der Nähe würde sie nicht sehen, wie erfreut ich war - erfreut darüber, dass sie zur Vernissage gekommen war, erfreut darüber, dass wir heute Morgen etwas Zeit miteinander verbracht hatten, vor allem aber erfreut darüber, dass sie heute Abend bei Sonnenuntergang tausend Meilen nördlich von Duma Key sein würde.Vorausgesetzt, dass sie einen Flug bekam. »Und was Carson angeht?«
Sie saß mindestens eine Minute lang schweigend da und bewegte ihre nackten Füße
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