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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ihrem Vater, später allein. Sie hatte ihre Wohltätigkeitsorganisationen, sie hatte ihre Freunde, sie hat Tennis gespielt, sie hat Bridge gespielt - das weiß ich von Mary Ire -, und vor allem hatte sie die Kunstszene an der Sonnenküste. Das war das stille, erfüllte Leben einer älteren Frau mit einem Haufen Geld und wenigen schlechten Angewohnheiten außer ihren Zigaretten. Plötzlich ist alles anders geworden. La lotería. Das hast du selbst gesagt, Wireman.«
    »Du glaubst wirklich, dass irgendetwas dies alles bewirkt hat«, sagte er. Nicht ungläubig, sondern staunend.
    »Das glaubst du «, sagte ich.
    »Manchmal schon. Es ist nicht das, was ich glauben möchte . Dass es etwas gibt, das einen so langen Arm hat … und scharf genug sieht, um dich beobachten zu können … mich... Gott mag wissen, wen oder was noch …«
    »Mir gefällt’s auch nicht«, sagte ich, aber das war weit von der Wahrheit entfernt. Tatsächlich war es mir verhasst. »Mir gefällt die Idee nicht, jemand könnte tatsächlich die Hand ausgestreckt und Elizabeth ermordet haben - vielleicht zu Tode erschreckt -, nur um sie zum Schweigen zu bringen.«
    »Und du glaubst, dass du mithilfe dieser Bilder rauskriegen kannst, was hier vorgeht.«
    »Teilweise, ja. Wie viel, weiß ich erst, wenn ich es versuche.«
    »Und dann?«
    »Kommt darauf an. Ziemlich sicher ein Ausflug zum Südende der Insel. Dort gibt’s noch was zu erledigen.«
    Jack stellte sein Teeglas ab. » Was zu erledigen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Weiß ich nicht. Vielleicht erfahre ich es aus ihren Bildern.«
    »Wenn du nur nicht zu tief hineingerätst und feststellen musst, dass du nicht mehr an Land zurückkannst«, sagte Wireman. »Das ist den beiden kleinen Mädchen passiert.«
    »Ja, ich weiß«, sagte ich.
    Jack zeigte mit dem Finger auf mich. »Pass auf dich auf. Man Law .«
    Ich nickte und zeigte meinerseits auf ihn. »Man Law.«

15
    Eindringling
    I Zwanzig Minuten später saß ich mit meinem Skizzenblock auf dem Schoß und dem roten Picknickkorb neben mir im Little Pink. Direkt vor mir, das Westfenster mit reflektiertem Licht füllend, lag der Golf. Tief unter mir hörte ich das Gemurmel der Muscheln. Ich hatte die Staffelei zur Seite gerückt und den mit Farbe bekleckerten Arbeitstisch mit einem Handtuch abgedeckt. Auf dem Frotteetuch lagen die Reste ihrer frisch gespitzten Buntstifte. Von den dicken Stiften, die irgendwie antiquiert wirkten, war nicht mehr viel da, aber ich glaubte, dass es genügen würde. Ich war bereit.
    »Von wegen«, sagte ich. Für diese Sache würde ich niemals bereit sein, und ein Teil meines Ich hoffte, dass nichts geschehen würde. Ich glaubte jedoch, dass sich etwas ereignen würde. Ich glaubte, dass Elizabeth deshalb gewollt hatte, dass ich ihre Zeichnungen fand. Aber wie gut hatte sie sich tatsächlich an den Inhalt des roten Korbs erinnert? Ich vermutete, dass Elizabeth ihre Kindheitserlebnisse weitgehend vergessen hatte, schon bevor die Alzheimerkrankheit alles kompliziert hatte.Weil das Vergessen nicht immer unfreiwillig geschieht. Manchmal ist es gewollt .
    Wer würde sich an etwas erinnern wollen, das so entsetzlich gewesen war, dass der eigene Vater geschrien hatte, bis er blutete? Lieber ganz mit dem Zeichnen aufhören und die Entzugserscheinungen stoisch ertragen. Lieber den Leuten erklären, man könne kaum Strichmännchen zeichnen und gleiche auf dem Gebiet der Kunst reichen Ehemaligen, die Sportmannschaften ihres College unterstützten: Wenn man selbst kein Sportler sein kann, muss man wenigstens den Sport fördern. Lieber alles völlig verdrängen, bis im Alter die schleichende Senilität den Rest erledigt.
    Oh, ein Teil dieser alten Begabung bleibt vielleicht zurück - wie Narbengewebe von einer lange zurückliegenden Verletzung (zum Beispiel durch einen Sturz aus einem Ponywagen) auf der Dura Mater des Gehirns -, und man muss Möglichkeiten finden, ihr gelegentlich Auslass zu verschaffen, sie auszudrücken wie angesammelten Eiter aus einem Geschwür, das niemals ganz abheilen wird. Also interessiert man sich für die Kunst anderer Leute. Man wird sogar eine Förderin der Künste. Und wenn das noch immer nicht reicht? Nun, vielleicht fängt man an, Figuren und Gebäude aus Porzellan zu sammeln. Man fängt an, eine ganze Porzellanstadt zu erbauen. Niemand würde den Aufbau solcher Tableaux als Kunst bezeichnen, aber er erfordert Fantasie, und der regelmäßige Einsatz der Fantasie - vor allem ihres visuellen Aspekts -

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