Wahn - Duma Key
genügt, um es aufhören zu lassen.
Was aufhören zu lassen?
Natürlich das Jucken.
Dieses verdammte Jucken.
Ich kratzte mir den rechten Arm, griff hindurch und traf zum zehntausendsten Mal nur meine Rippen. Ich klappte meinen Skizzenblock auf, sodass ich das erste Blatt vor mir hatte.
Beginnen Sie mit einer leeren Fläche.
Sie schien mich zu rufen, und ich glaubte zu wissen, dass solche leeren Blätter auch sie einst magisch angezogen hatten.
Bemale mich. Denn Weiß ist das Fehlen von Erinnerung, die Farbe von »weiß nicht mehr«. Mach. Zeig. Zeichne. Male. Und wenn du es tust, verschwindet das Jucken. Die Verwirrung legt sich für gewisse Zeit.
Bitte bleiben Sie auf der Insel, hatte sie gesagt. Unabhängig davon, was passiert. Wir brauchen Sie.
Das konnte stimmen, vermutete ich.
Ich zeichnete rasch. Nur ein paar Linien. Etwas, das ein Karren hätte sein können. Oder vielleicht ein Ponywägelchen, das dastand und auf das Pony wartete.
»Sie haben hier glücklich und zufrieden gelebt«, erklärte ich dem leeren Atelier. »Vater und Töchter. Dann ist Elizabeth aus dem Ponywagen gefallen und hat zu zeichnen angefangen, ein außerhalb der Saison wütender Hurrikan hat das Schatzfeld freigelegt, und die kleinen Mädchen sind ertrunken. Danach flüchten die Überlebenden nach Miami, und der Spuk ist vorbei. Und als sie nach fast fünfundzwanzig Jahren zurückkehren …«
Unter den Ponywagen schrieb ich in Druckbuchstaben WIEDER . Machte eine Pause. Fügte GUT hinzu. WIEDER GUT .
Gut, flüsterten die Muscheln tief unter mir. Wieder gut.
Ja, ihnen war’s gut gegangen, John und Elizabeth hatten gut gelebt. Auch nach Johns Tod war es Elizabeth weiter gut gegangen. Gut wegen ihrer Vernissagen. Gut wegen ihrer Porzellanfiguren. Dann war aus irgendeinem Grund wieder eine Veränderung eingetreten. Ich wusste nicht, ob die Tode von Wiremans Frau und seiner Tochter mit dieser Veränderung zusammenhingen, aber ich hielt es für denkbar. Und was seine und meine Ankunft auf Duma Key betraf, stand der Zusammenhang meiner Überzeugung nach außer Frage. Für diese Überzeugung gab es keinen rationalen Grund, aber ich hegte sie trotzdem.
Die Zustände auf Duma Key waren in Ordnung gewesen … dann schlimm … dann lange Zeit wieder in Ordnung. Und nun …
Sie ist wach.
Der Tisch leckt.
Wenn ich verstehen wollte, was jetzt geschah, musste ich wissen, was sich damals ereignet hatte. Ich musste , gefährlich hin oder her.
II Ich griff nach ihrer ersten Zeichnung, die gar keine war, sondern nur aus einer krummen Linie bestand, die quer übers Papier lief. Ich nahm sie in die linke Hand, schloss die Augen und gab dann vor, sie mit der Rechten zu berühren, genau wie ich es mit Pams HANDS OFF-Gartenhandschuhen getan hatte. Ich versuchte zu sehen, wie meine rechten Finger über diese zögerliche Linie glitten. Das konnte ich - gewissermaßen -, aber ich empfand eine Art Verzweiflung. Wollte ich das bei allen Bildern machen? Es mussten zwölf Dutzend sein, und das war eine vorsichtige Schätzung. Außerdem wurde ich nicht gerade mit psychischen Informationen überschüttet.
Lass dir Zeit. Rom ist auch nicht in einer Stunde erbaut worden.
Ich fand, etwas Radio The Bone könnte nicht schaden und vielleicht sogar nützen. Ich erhob mich mit dem alten Stück Papier in der rechten Hand, und natürlich flatterte es zu Boden, weil es keine rechte Hand gab. Als ich mich danach bückte, fiel mir ein, dass ich das Sprichwort falsch zitiert hatte. Richtig musste es lauten: Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden.
Aber Melda sagt Stunne.
Ich erstarrte mit dem Blatt Papier in der linken Hand. In der Hand, die der Kran nicht erwischt hatte. War dies eine wirkliche Erinnerung gewesen, die mir aus dem Bild zugeflogen war, oder nur etwas, das ich mir eingebildet hatte? Nur mein Verstand, der zuvorkommend zu sein versuchte?
»Das ist kein Bild«, sagte ich und betrachtete die zögerliche Linie.
Nein, aber es versucht, eines zu sein.
Mein Hintern plumpste wieder auf den Stuhl. Das war kein bewusstes Hinsetzen; vielmehr hatte ich weiche Knie bekommen und mich nicht mehr auf den Beinen halten können. Ich sah die Linie an, dann aus dem Fenster. Vom Golf zu der Linie. Von der Linie wieder zum Golf.
Sie hatte versucht, den Horizont zu zeichnen. Damit hatte alles angefangen.
Ja.
Ich griff nach meinem Skizzenblock und nahm einen ihrer Buntstifte. Die Farbe war unwichtig, wenn er nur einer ihrer Stifte war.
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