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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Vor dem Palacio trieben nur einzelne Tennisbälle an, aber weiter im Norden, wo das Big Pink stand, sah ich eine grüne Flottille - mindestens hundert, wahrscheinlich mehr.
    Das hat nichts zu bedeuten. Sie ist in Sicherheit. Sie hat das Bild verbrannt und schläft wohlbehalten in ihrer Wohnung tausend Meilen von hier.
    »Das bedeutet gar nichts«, sagte ich laut, aber inzwischen fühlte sich der Wind, der mir die Haare aus dem Gesicht blies, nicht mehr warm, sondern kalt an. Dort im nassen, kompakten, feucht glänzenden Sand machte ich mich hinkend auf den Weg zurück ins Big Pink. Die Piepser flogen in Wolken vor mir auf. Ab und zu legte eine hereinkommende Welle einen Tennisball vor meinen Füßen ab. Unterdessen lagen sie überall auf dem nassen festen Sand verstreut. Dann kam ich zu einer aufgeplatzten Kiste, auf der Dunlop Tennisbälle und AUSSCHUSSWARE OHNE DOSEN stand. Sie war umgeben von schwimmenden, im Wasser tanzenden Tennisbällen.
    Augenblicklich beschleunigte ich meine hinkenden Schritte.
     
     
     
     
     
     
    XI Ich schloss die Tür auf und ließ meine Schlüssel im Schloss stecken. Schlingerte ans Telefon und sah die Anzeige des Anrufbeantworters blinken. Ich drückte auf PLAY. Die ausdruckslose Männerstimme des AB teilte mir mit, dass die Nachricht um 6.48 Uhr eingegangen war, was bedeutete, dass ich sie um weniger als eine halbe Stunde verpasst hatte. Dann explodierte Pams Stimme aus dem Lautsprecher. Ich senkte den Kopf, als müsste ich mein Gesicht vor einem Hagel scharfer Glassplitter schützen.
    »Edgar, die Polizei hat angerufen und gesagt, dass Illy tot ist! Sie sagt, dass eine Frau namens Mary Ire in ihre Wohnung gekommen ist und sie ermordet hat! Eine deiner Freundinnen! Eine deiner Kunstfreundinnen aus Florida hat unsere Tochter umgebracht!« Sie brach in einen rau und hässlich klingenden Weinanfall aus … und dann lachte sie. Es war abscheulich, dieses Lachen. Es fühlte sich an, als hätte mir einer dieser fliegenden Glassplitter das Gesicht zerschnitten. »Ruf mich an, du Scheißkerl! Ruf mich an und versuch, mir das zu erklären. Du hast gesagt, sie ist IN SICHERHEIT! «
    Dann wieder Weinen. Es wurde mit einem Klicken beendet. Danach ertönte das Summen einer freien Leitung.
    Ich streckte meine Hand aus und brachte es per Knopfdruck zum Schweigen.
    Ich ging in den Florida-Raum und starrte die auf den Wellen tanzenden Tennisbälle an. Ich fühlte mich wie verdoppelt, wie ein Mann, der einen Mann beobachtet.
    Die toten Zwillinge hatten in meinem Atelier eine Nachricht hinterlassen - wo unsre schwester? Hatten sie damit Illy gemeint?
    Ich konnte fast hören, wie die Hexe lachte, konnte sie nicken sehen. »Bist du hier, Perse?«, fragte ich.
    Der Wind rauschte durch die Fliegengitter herein. Die Wogen brachen sich mit der Regelmäßigkeit eines Metronoms am Strand. Ich hörte die Schreie von Vögeln über dem Wasser. Am Strand konnte ich eine weitere aufgeplatzte Kiste mit Tennisbällen erkennen, die schon halb im Sand vergraben war. Schätze aus dem Meer; fairer Bergelohn aus dem caldo . Sie beobachtete mich, so viel stand fest.Wartete darauf, dass ich zusammenbrechen würde. Davon war ich überzeugt. Ihre … was? … ihre Schergen? … mochten tagsüber schlafen, aber nicht sie selbst.
    »Ich gewinne, du gewinnst«, sagte ich. »Aber du glaubst, du hast immer noch einiges in der Hinterhand, nicht wahr? Clevere Perse.«
    Natürlich war sie clever. Schließlich spielte sie dieses Spiel schon sehr lange. Ich konnte mir vorstellen, dass sie schon alt gewesen war, als die Kinder Israels noch die Gärten Ägyptens umgegraben hatten. Manchmal schlief sie, aber jetzt war sie wach.
    Und ihre Macht reichte weit.
    Mein Telefon begann zu klingeln. Ich ging wieder hinein, wobei ich mich weiter wie zwei Edgars fühlte - einer erdgebunden, der andere über dem Kopf des erdgebundenen Edgars schwebend -, und nahm den Hörer ab. Der Anrufer war Dario. Er war hörbar aufgebracht.
    »Edgar? Was soll dieser Mist, dass wir die verkauften Bilder nicht...«
    »Nicht jetzt, Dario«, sagte ich. »Still.« Ich legte auf, dann rief ich Pam an. Weil ich jetzt nicht darüber nachdachte, hatte ich nicht die geringsten Probleme mit den Ziffern; das fabelhafte Muskelgedächtnis übernahm das Kommando. Ich überlegte mir, dass die Menschen vielleicht besser dran wären, wenn dies ihr einziges Gedächtnis wäre.
    Pam war ruhiger. Ich wusste nicht, was sie genommen hatte, aber es wirkte bereits. Wir sprachen zwanzig

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