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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Elizabeth’ erstes Heim auf Duma Key genau anzusehen. Meine erste Reaktion war Bestürzung. Irgendwo im Hinterkopf hatte ich eine klare Vorstellung von dem voraussichtlichen Ablauf: Wir würden das Haus betreten, nach oben gehen und den Raum finden, der in den längst vergangenen Tagen, als alle Welt Elizabeth als Libbit gekannt hatte, ihr Kinderzimmer gewesen war. Dort würde mein fehlender Arm, manchmal auch als Edgar Freemantles Göttliche ÜbersinnlicheWünschelrute bekannt, mich zu einem zurückgelassenen Überseekoffer (oder vielleicht zu einer bescheidenen Kiste) führen. Darin würden weitere Zeichnungen, die fehlenden Zeichnungen liegen, die mir den Weg zu Perse weisen und das Rätsel des lecken Tisches lösen würden. Alles vor Sonnenuntergang.
    Hübsch ausgedacht, wenn da nicht ein Problem gewesen wäre: Die obere Hälfte von Heron’s Roost existierte nicht mehr. Das Haus stand auf einer dem Wetter ausgesetzten Anhöhe, und seine oberen Stockwerke waren von irgendeinem Sturm komplett weggerissen worden. Das Erdgeschoss stand noch, aber es war von graugrünen Ranken überwuchert, die auch die Säulen des Vordachs hinaufwuchsen. Louisianamoos hing von den Dachsimsen und hatte die Veranda in eine Höhle verwandelt. Das Haus war von zertrümmerten orangeroten Dachziegeln umgeben - den einzigen Überresten des Daches. Sie ragten wie Drachenzähne aus dem jetzt völlig verunkrauteten ehemaligen Rasen. Die letzten fünfundzwanzig Meter der mit Muschelsplittern durchsetzten Einfahrt verschwanden unter Würgefeigen. Das galt auch für den Tennisplatz und etwas, das ein Spielhaus für Kinder gewesen sein mochte. Weitere Schlingpflanzen krochen die Wände eines lang gestreckten scheunenartigen Gebäudes hinter dem Tennisplatz hinauf und breiteten sich zwischen den Überresten der Dachziegel des Spielhauses aus.
    »Was ist das? « Jack zeigte auf etwas zwischen dem Tennisplatz und dem Haupthaus. Dort schimmerte ein mit einer üblen schwarzen Brühe angefülltes langes Rechteck in der Nachmittagssonne. Das Insektensummen schien größtenteils von dorther zu kommen.
    »Heute? Da würde ich es als Teergrube bezeichnen«, sagte Wireman. »In den Goldenen Zwanzigern dürfte die Familie Eastlake es ihren Swimmingpool genannt haben.«
    »Stellt euch vor, ihr müsstet da reinspringen«, sagte Jack und erschauderte.
    Der Pool war von Weiden umgeben. Dahinter standen dicht an dicht weitere Brasilianische Pfefferbäume und …
    »Wireman, sind das Bananenstauden? «, fragte ich.
    »Richtig«, sagte er. »Und wahrscheinlich voller Schlangen. Puh! Sieh nach Westen, Edgar.«
    Auf der dem Meer zugewandten Seite von Heron’s Roost verdrängte Strandhafer allmählich das Gewirr aus Unkraut, Ranken und Kriechpflanzen, das ehemals John Eastlakes Rasen gewesen war. Die Brise war gut und die Aussicht noch besser, was mir vor Augen führte, dass man in Florida eines nur selten hatte: Höhe. Hier waren wir eben hoch genug, dass der Golf von Mexiko zu unseren Füßen zu liegen schien. Don Pedro Island lag links von uns, Casey Key träumte rechts von uns in blaugrauem Dunst.
    »Die Zugbrücke ist noch oben«, sagte Jack hörbar belustigt. »Diesmal haben sie wirklich Probleme.«
    »Wireman«, sagte ich. »Sieh dort hinunter, den alten Weg entlang. Siehst du das da?«
    Sein Blick folgte meinem Zeigefinger. »Den Felsvorsprung? Klar sehe ich den. Nicht Koralle, glaube ich jedenfalls nicht, aber das ließe sich erst aus der Nähe feststellen - was ist damit?«
    »Hör eine Minute lang auf, den Geologen zu spielen, und sieh bloß hin. Was siehst du?«
    Er sah hin. Beide sahen hin. Jack erkannte es als Erster. »Ein Profil?« Dann wiederholte er ohne das Zögern: »Ein Profil.«
    Ich nickte. »Von hier aus sehen wir nur die Stirn, die Vertiefung der Augenhöhle und den Nasensattel, aber ich wette, dass wir vom Strand aus auch den Mund sehen würden. Oder was früher einmal der Mund war. Das ist der Hag’s Rock. Und gleich darunter liegt der Shade Beach, darauf gehe ich jede Wette ein.Von wo aus John Eastlake losgeschwommen ist, um nach Schätzen zu tauchen.«
    »Und wo die Zwillinge ertrunken sind«, fügte Wireman hinzu. »Das ist der Weg, auf dem sie zum Strand runtergelaufen sind. Nur...«
    Er verstummte. Die Brise zupfte an unseren Haaren. Wir betrachteten den Weg, der nach all den Jahren noch sichtbar war. Kleine Füßchen, die zum Baden liefen, hätten das nicht geschafft. Ein Trampelpfad zwischen Heron’s Roost und Shade Beach wäre in

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