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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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fünf Jahren verschwunden, vielleicht auch schon in zwei Jahren.
    »Das ist kein Weg«, sagte Jack, als würde er meine Gedanken lesen. »Das war mal eine Straße. Nicht asphaltiert, aber trotzdem eine Straße.Wozu braucht jemand eine Straße vom Haus zu einem Strand, der zu Fuß bestimmt in weniger als zehn Minuten zu erreichen ist?«
    Wireman schüttelte den Kopf. »Weiß ich nicht.«
    »Edgar?«
    »Keine Ahnung.«
    »Vielleicht hat er mehr aus dem Wasser geholt als nur ein bisschen Trödel«, sagte Jack.
    »Möglich, aber …« Aus den Augenwinkeln heraus nahm ich eine Bewegung wahr - etwas Dunkles - und drehte mich zum Haus um. Dort war nichts zu sehen.
    »Was gibt’s?«, fragte Wireman.
    Die Brise, der bisher vom Golf geweht hatte, drehte leicht und kam nun aus dem Süden. Sie führte einen üblen Fäulnisgestank mit sich.
    Jack verzog angewidert das Gesicht. »Scheiße, was ist das? «
    »Düfte aus dem Pool, würde ich vermuten«, antwortete Wireman. »Jack, ich liebe den Geruch von Schlick am Morgen.«
    »Von mir aus, aber jetzt ist es Nachmittag.«
    Wireman bedachte ihn mit einem Was-du-nicht-sagst-Blick, dann wandte er sich an mich. »Was denkst du, muchacho? Gehen wir rein?«
    Ich machte rasch Inventur.Wireman hatte den roten Korb; Jack hatte die Tragetasche mit dem Proviant; ich hatte mein Zeichenzeug. Ich wusste nicht genau, was wir tun würden, falls sich herausstellte, dass Elizabeth’ übrige Zeichnungen von dem Sturm, der die Ruine vor uns zurückgelassen hatte, entführt worden waren (oder wenn es keine Zeichnungen gab ), aber wir waren so weit hergekommen und mussten etwas tun. Ilse bestand darauf, das spürte ich in meinen Knochen und meinem Herzen.
    »Ja«, sagte ich. »Gehen wir rein.«
     
     
     
     
     
     
    XII Wir hatten die Stelle erreicht, wo die Einfahrt unter Würgefeigen zu verschwinden begann, als ich das schwarze Wesen durchs hohe Unkraut rechts neben dem Haus huschen sah. Diesmal sah Jack es auch.
    »Dort ist jemand«, sagte er.
    »Ich hab niemand gesehen«, sagte Wireman. Er stellte den Picknickkorb ab und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. »Tausch mal mit mir, Jack. Du nimmst den Korb, ich den Proviant. Du bist jung und stark. Wireman ist alt und verbraucht. Er wird bald ster... heiliger Scheiß, was ist das? «
    Der Mann brach knapp links vor uns aus dem Unterholz hervor. Das war im Grunde unmöglich - Jack und ich hatten ihn erst vor wenigen Sekunden in fünfzig Metern Entfernung gesehen -, aber er kam von dort. Er war ein Schwarzer, aber kein menschliches Wesen. Keinen Augenblick lang hielten wir ihn für einen wirklichen Menschen. Zum einen weil seine Beine, krumm und mit blauen Breeches bekleidet, sich nicht bewegten, während er an uns vorbeiflitzte. Auch rührte sich kein Blatt in der dicken Matte aus Würgefeigen, als er hindurchlief. Aber seine Lippen grinsten; seine Augen rollten in fröhlicher Boshaftigkeit. Er trug eine Schirmmütze mit oben aufgenähtem Knopf, und die war irgendwie das Schlimmste.
    Ich dachte, wenn ich diese Mütze lange ansehen muss, werde ich verrückt.
    Das Wesen verschwand im Gras rechts vor uns: ein Schwarzer in blauen Breeches, gut eineinhalb Meter groß. Das Gras war höchstens eineinviertel Meter hoch, und es war leicht auszurechnen, dass er nicht darin hätte verschwinden dürfen, aber genau das tat er.
    Im nächsten Augenblick grinste er - es - uns von der vorderen Veranda an, dann war er - es - ohne Pause am Fuß der Treppe, flitzte ins Unkraut davon und grinste uns dabei ständig an.
    Grinste uns unter seiner Mütze hervor an.
    Seine Mütze war ROT .
    Jack machte Anstalten, die Flucht zu ergreifen. Auf seinem Gesicht stand nichts außer blinder, sprachloser Panik. Ich ließ Wireman los, um ihn mir zu schnappen, und wenn Wireman sich ebenfalls zur Flucht entschlossen hätte, wäre das vermutlich das Ende unserer Expedition gewesen; ich hatte schließlich nur einen Arm und konnte sie unmöglich beide festhalten. Ich konnte keinen der beiden aufhalten, wenn sie ernsthaft türmen wollten.
    So erschrocken ich auch war, dachte ich doch niemals an Flucht.
    Auch Wireman, Gott segne ihn, hielt stand und beobachtete mit offenem Mund, wie der Schwarze als Nächstes unter den Bananenstauden zwischen dem Pool und dem Nebengebäude auftauchte.
    Ich bekam Jack am Gürtel zu fassen und riss ihn zurück. Weil ich ihn nicht ohrfeigen konnte - dafür fehlte mir eine Hand -, begnügte ich mich damit, ihn anzubrüllen. »Es ist nicht

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