Wahn - Duma Key
bereit, einen Chevy Malibu von Hertz zu fahren?«
»Klar doch«, sagte Ilse. Sie stemmte ihre Arme in die Hüften, tat so, als spucke sie aus, und sprach mit gespieltem Südstaatenakzent. »Ich faahr bisanns Ende der Straaße.«
XII Aber wir kamen nicht einmal in die Nähe des Endes der Duma Road. Nicht an diesem Tag. Unsere Expedition nach Süden begann gut, endete schlecht.
Wir waren beide gesund und munter, als wir aufbrachen. Ich hatte ein einstündiges Nickerchen gemacht und mein mittägliches Oxycontin eingeworfen. Meine Tochter, jetzt in Shorts und einem Top mit Nackenträger, lachte, als ich darauf bestand, ihr die Nase mit Zinkoxid einzucremen. »Bobo der Clown«, sagte sie, während sie sich im Spiegel betrachtete. Sie war bester Laune, und ich war glücklicher als jemals seit dem Unfall, deshalb traf mich das, was uns an diesem Nachmittag zustieß, völlig unvorbereitet. Ilse schob es auf unseren Lunch - vielleicht verdorbene Mayonnaise im Thunfischsalat -, und ich ließ sie in diesem Glauben, obwohl ich nicht glaubte, dass schlechte Mayo etwas damit zu tun gehabt hatte. Wohl eher was wie Bad Mojo.
Die Straße war schmal, holperig und schlecht geflickt. Bis zu der Stelle, wo sie in der Vegetation verschwand, die den größten Teil der Insel bedeckte, war sie auch von knochenweißen Sandstreifen überzogen, die der Wind vom Strand landeinwärts getragen hatte. Über die meisten dieser Minidünen rumpelte der gemietete Chevy tapfer hinweg, aber als die Straße mehr in Strandnähe verlief - unmittelbar bevor wir die Hazienda erreichten, die Wireman Palacio de Asesinos nannte -, wurden die Verwehungen mächtiger, und statt darüber hinwegzupoltern, geriet derWagen ins Schwimmen. Ilse, die auf Eis und Schnee fahren gelernt hatte, kam damit klag- und kommentarlos zurecht.
Die Häuser zwischen dem Big Pink und El Palacio waren alle in dem Stil erbaut, den ich mittlerweile hässliches Floridapastell nannte. Bei den meisten waren die Jalousien heruntergelassen, und alle Einfahrten bis auf eine waren mit Toren verschlossen. Die Einfahrt der einen Ausnahme war mit zwei Sägeböcken verbarrikadiert; darauf stand in verblassender Schablonenschrift die Warnung BISSIGE HUNDE BISSIGE HUNDE . Hinter dem Bissige-Hunde-Haus begann das Grundstück der Hazienda. Es war von einer weiß verputzten massiven Mauer umgeben, die ungefähr drei Meter hoch war und mit orangeroten Ziegeln gedeckt. Weitere orangerote Ziegel - das Dach des Herrenhauses dahinter - ragten in Schrägen und Winkeln vor dem wolkenlos blauen Himmel auf.
»Herrjemine!«, sagte Ilse - ein Ausdruck, den sie von ihrem Baptistenfreund gelernt haben musste. »Dieser Schuppen gehört nach Beverly Hills.«
Die Mauer verlief mindestens siebzig Meter weit parallel zur Ostseite der schmalen, buckligen Straße. Schilder mit der Aufschrift ZUTRITT VERBOTEN gab es keine; diese Mauer schien die Einstellung des Besitzers gegenüber Hausierern und missionierenden Mormonen unmissverständlich klarzumachen. Auf halber Strecke lag ein zweiflügliges Tor, das offen stand. Und unmittelbar hinter den offenen Torflügeln sitzt …
»Sie«, murmelte ich. »Die Lady vom Strand unten. Heilige Scheiße, das ist die Braut des Paten!«
»Daddy!«, sagte Ilse lachend und zugleich schockiert.
Die Frau war richtig alt, mindestens Mitte achtzig. Sie saß in ihrem Rollstuhl. Auf dessen verchromten Fußstützen ruhte ein riesiges Paar blauer Converse Hi-Tops. Obwohl die Temperatur bei fast 25 Grad lag, trug sie einen zweiteiligen grauen Freizeitanzug. In einer knotigen Hand glimmte eine Zigarette. Auf den Kopf hatte sie einen Strohhut gestülpt, den ich von meinen Spaziergängen kannte, aber aus der Ferne hatte ich nicht wahrgenommen, wie riesig er war - nicht einfach irgendein Hut, sondern ein zerbeulter Sombrero. Ihre Ähnlichkeit mit Marlon Brando am Ende von Der Pate - in der Szene, in der er mit seinem Enkel im Garten spielt - war unverkennbar. In ihrem Schoß lag etwas, das nicht ganz wie eine Pistole aussah.
Ilse und ich winkten beide. Einen Augenblick lang tat sie nichts. Dann hob sie eine Hand - wie zum Indianergruß mit der Handfläche nach vorn - und brach in ein sonniges, fast zahnloses Grinsen aus. Scheinbar tausend Runzeln zerknitterten ihr Gesicht und verwandelten sie in eine gütige Hexe. Das Haus hinter ihr nahm ich überhaupt nicht wahr; ich versuchte noch immer, mit ihrem plötzlichen Auftauchen klarzukommen, mit ihren coolen blauen Sneakers,
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