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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sich The Hummingbirds. Oh, Daddy, du solltest ihn hören - er singt wie ein Engel.«
    »Kann ich mir vorstellen«, sagte ich.
    Sie küsste mich noch mal sanft auf die Wange. »Ich bin froh, dass ich gekommen bin, Daddy. Bist du auch froh?«
    »Du ahnst gar nicht, wie sehr«, sagte ich und wünschte mir, sie würde sich wahnsinnig in Jack verknallen. Das wäre die Lösung für alles gewesen... so erschien es mir jedenfalls damals.
     
     
     
     
     
     
    X Es gab kein großartiges Weihnachtsessen, aber wenigstens ein Astronautenhähnchen, wie Jack es nannte, dazu Preiselbeersoße, fertig angemachten Salat und Reispudding. Ilse aß zwei Portionen von allem. Nachdem wir die Geschenke ausgetauscht hatten - alle bekamen wir genau das, was wir uns gewünscht hatten -, nahm ich Ilse mit hinauf ins Little Pink und zeigte ihr den größten Teil meines künstlerischen Schaffens. Das Bild von ihrem Verlobten und das von der Frau (wenn es denn eine war) lagen im oberen Fach meines Schlafzimmerschranks, und dort würden sie bleiben, bis meine Tochter wieder abgereist war.
    Ungefähr ein Dutzend andere Zeichnungen - hauptsächlich Sonnenuntergänge - hatte ich auf große Pappen montiert und an die Wände des Raums gestellt. Ilse machte einen langsamen Rundgang. Blieb stehen, machte einen zweiten. Inzwischen war es ganz dunkel; vor meinem Panoramafenster lag schwarze Nacht. Es herrschte Ebbe; nur das stetige leichte Seufzen, mit dem die kleinen Wellen sich am Strand brachen, verriet, dass der Golf überhaupt da war.
    »Die hast wirklich alle du gemalt?«, fragte sie schließlich. Sie drehte sich um und betrachtete mich auf eine Art, die mir unangenehm war. Einen solchen Blick widmet man jemandem, den man einer gründlichen Neubewertung unterzieht.
    »Hab ich wirklich«, sagte ich. »Wie findest du sie?«
    »Sie sind gut. Vielleicht besser als gut. Das Bild hier...« Sie bückte sich und hob sehr vorsichtig die Zeichnung hoch, auf der die große Schneckenmuschel, von orangegelbem Sonnenglanz umgeben, auf dem Horizont stand. »Diese ist so beschi... Entschuldigung, so verdammt unheimlich.«
    »Finde ich auch«, gestand ich. »Aber es ist eigentlich nichts Neues. Nur ein Sonnenuntergang mit einem Schuss Surrealismus.« Dann rief ich, etwas dümmlich, aus: »Hallo, Dalí!«
    Sie stellte Sonnenuntergang mit Muschel wieder ab und nahm Sonnenuntergang mit Sophora in die Hand.
    »Wer hat die Bilder hier gesehen?«
    »Nur Jack und du. Oh, und Juanita. Sie bezeichnet sie als asustador , oder irgendwie so. Jack sagt, dass das erschreckend heißt.«
    »Sie sind ein bisschen erschreckend«, räumte sie ein. »Aber, Daddy... diese Buntstifte, mit denen du zeichnest, verwischen leicht. Und ich fürchte, dass die Farben verblassen, wenn du die Bilder nicht irgendwie konservierst.«
    »Wie?«
    »Keine Ahnung. Aber ich denke, du solltest sie jemandem zeigen, der was davon versteht. Jemandem, der dir bestätigen kann, wie gut sie wirklich sind.«
    Ich fühlte mich geschmeichelt, aber auch unbehaglich. Fast bestürzt. »Ich wüsste gar nicht, wohin oder zu wem ich...«
    »Frag Jack. Vielleicht kennt er eine Kunstgalerie, die bereit ist, sich die Zeichnungen anzusehen.«
    »Klar, ich hinke einfach mit meiner Krücke da rein und sage: ›Hallo, Leute, ihr kennt mich nicht, aber ich wohne draußen auf Duma Key und habe ein paar Zeichnungen mitgebracht - hauptsächlich von Sonnenuntergängen, ein für die Küste Floridas höchst ungewöhnliches Motiv -, die meine Haushälterin als muy asustador bezeichnet.‹«
    Ilse stemmte ihre Arme in die Hüften und legte den Kopf leicht schief. Genau wie Pam aussah, wenn sie nicht die Absicht hatte, etwas auf sich beruhen zu lassen. Wenn sie tatsächlich ihre Argumentation auf Allradantrieb umschalten wollte.
    »Vater...«
    »Oje, jetzt bin ich dran!«
    Sie beachtete mich nicht. »Du hast es geschafft, mit zwei Pick-ups, einer gebrauchten Planierraupe aus dem Koreakrieg und einem Kredit über zwanzigtausend Dollar ein Millionenunternehmen aufzubauen. Erzähl mir bloß nicht, dass du nicht ein paar Galeristen dazu bringen könntest, sich deine Bilder anzusehen, wenn du ernsthaft wolltest!« Ihr Gesichtsausdruck wurde sanfter.
    »Ich meine, die sind gut, Daddy. Gut. Auch wenn ich nur einen kümmerlichen Highschool-Kurs in Kunstbetrachtung absolviert habe, so viel weiß ich ganz sicher.«
    Ich sagte etwas, aber ich weiß nicht mehr, was. Ich dachte an meine hastige Schnellzeichnung von Carson Jones alias The Baptist

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