Wahn - Duma Key
schaffe das. Ich schaffe das. Ich muss nur meinen armen alten Verstand anstrengen.
Ich öffnete die Beifahrertür, indem ich über meinen Körper hinweggriff, und stieg aus. Taumelte hinaus und hielt mich am oberen Türrand fest, damit ich nicht in eine Wand aus Seetrauben und das miteinander verwobene Geäst halb vergrabener Banyanbäume torkelte. Inzwischen juckte es mich überall. Die Büsche und Zweige waren der Wagenseite so nahe, dass sie mich streiften, während ich mich nach vorn tastete. Mein halbes Gesichtsfeld
(ROT)
schien scharlachrot zu bluten, ich spürte, wie die Spitze eines Kiefernzweigs mein - das hätte ich beschwören können - rechtes Handgelenk streifte, und dachte: Ich schaffe das, ich MUSS es schaffen, als ich hörte, wie Ilse sich erneut übergab. Ich merkte, dass es auf der schmalen Straße viel heißer war, als es hätte sein sollen, selbst unter dem grünen Blätterdach. Ich konnte sogar so klar denken, dass ich mich fragte, was wir uns eigentlich dabei gedacht hatten, als wir dieser Straße gefolgt waren. Aber natürlich hatten wir uns das als einen netten kleinen Ausflug vorgestellt.
Ilse beugte sich noch immer hinaus, klammerte sich mit der rechten Hand am Lenkrad fest. Auf ihrer Stirn standen Schweißperlen. Sie sah zu mir auf. »Es muss der Thunfischsalat gewesen sein, bestimmt die Mayo, o Mann...«
»Rutsch rüber, Ilse.«
»Daddy, was hast du vor?«
Als ob sie das nicht hätte sehen können. Und mir standen die Wörter fahren und zurück plötzlich ohnehin nicht mehr zur Verfügung. In diesem Augenblick hätte ich nur uns sagen können - für sich allein eines der wertlosesten Wörter. Ich fühlte Zorn wie heißes Wasser in meiner Kehle aufsteigen. Oder wie Blut. Ja, mehr wie Blut. Weil der Zorn natürlich rot war.
»Uns von hier wegbringen. Rutsch rüber.« Dabei dachte ich: Werd bloß nicht wütend auf sie! Fang bloß nicht an zu brüllen, was auch passiert. Um Himmels willen, bitte tu das nicht.
»Daddy, du kannst nicht...«
»Doch, ich kann. Rutsch rüber.«
Gewohnheitsmäßiger Gehorsam stirbt nur langsam ab - besonders langsam vielleicht zwischen Töchtern undVätern. Und natürlich war ihr schlecht. Sie rutschte nach rechts, und ich setzte mich ans Steuer, indem ich mich auf meine unbeholfene Art rückwärts auf den Sitz plumpsen ließ und mein schlimmes rechtes Bein mit der Hand hineinhob. Meine ganze rechte Seite vibrierte, als würde sie mit leichten Elektroschocks bearbeitet.
Ich kniff die Augen fest zusammen und dachte: Ich SCHAFFE das, gottverdammt noch mal, und ich brauche dazu auch keine ausgestopfte Stoffschlampe.
Dann warf ich wieder einen Blick auf die Welt, aus der ein Teil dieser Röte - und mit ihr ein Teil des Zorns, Gott sei Dank - verschwunden war. Ich legte den Rückwärtsgang ein und begann langsam zurückzustoßen. Ich konnte mich nicht hinauslehnen, wie Ilse es getan hatte, weil ich keine rechte Hand hatte, mit der ich hätte lenken können. Stattdessen benutzte ich die Rückspiegel. In meinem Kopf hörte ich ein geisterhaftes Miep-miep-miep .
»Bitte komm nicht von der Straße ab«, sagte Ilse. »Zu Fuß gehen können wir nicht. Mir ist zu schlecht, und du bist zu verkrüppelt.«
»Keine Angst, Monica«, sagte ich, aber sie beugte sich in diesem Augenblick aus dem Fenster, um sich erneut zu übergeben, und hörte mich vermutlich gar nicht.
XIII Langsam, langsam setzte ich von der Stelle zurück, an der Ilse gehalten hatte, und ermahnte mich: Sachte, nur sachte! und Eile mit Weile . Meine Hüfte tobte, als wir über die Würgfeigenwurzeln unter dem Asphalt zurückholperten. Mehrmals hörte ich, wie Seetraubenäste an der Seite des Wagens entlangschrammten. Darüber würden die Hertz-Leute nicht glücklich sein, aber das war an diesem Nachmittag meine geringste Sorge.
Ganz allmählich wurde es heller, als das Blätterdach über uns zurückwich. Das war gut. Ich konnte auch wieder klarer sehen, und das verrückte Jucken klang ab. Diese Dinge waren noch besser.
»Ich sehe das große Haus mit der Mauer drum herum«, sagte Ilse, die sich über die Schulter umsah.
»Geht’s dir wieder besser?«
»Vielleicht ein bisschen, aber mein Magen schäumt noch immer wie eine Waschmaschine.« Sie machte ein würgendes Geräusch. »O Gott, das hätte ich nicht sagen sollen!« Sie beugte sich hinaus, erbrach sich erneut und sank dann lachend und stöhnend in den Sitz zurück. Ihre Ponyfransen klebten in Strähnen an ihrer Stirn.
Weitere Kostenlose Bücher