Wahn - Duma Key
»Ich hab die ganze Seite deines Wagens vollgekotzt. Hoffentlich hast du einen Gartenschlauch.«
»Mach dir deswegen keine Sorgen. Sitz einfach still und atme langsam tief durch.«
Sie salutierte kläglich und schloss die Augen.
Die alte Frau mit dem großen Strohhut war nirgends zu sehen, aber die beiden Hälften des Eisentors standen jetzt weit offen, als erwarte sie Besuch. Oder wisse, dass wir einen Platz zum Wenden brauchten.
Ich verlor keine Zeit damit, darüber nachzudenken, sondern stieß einfach mit dem Chevy rückwärts unter dem Torbogen hindurch. Flüchtig sah ich einen in kühlem Blau gefliesten Innenhof, einen Tennisplatz und ein Paar riesiger zweiflügliger Türen, in die Eisenringe eingelassen waren. Dann fuhr ich in Richtung Big Pink davon. Fünf Minuten später waren wir dort. Ich sah wieder so gut wie beim Aufwachen an diesem Morgen, vielleicht sogar besser. Bis auf das leichte Kribbeln, das meine rechte Seite hinauf- und hinunterlief, fühlte ich mich recht gut.
Außerdem spürte ich den starken Drang zu zeichnen. Ich wusste nicht, was, aber das würde ich wissen, wenn ich erst mal im Little Pink vor einem meiner auf der Staffelei stehenden Zeichenblöcke saß. Dessen war ich mir sicher.
»Lass mich das Zeug von deinem Auto waschen«, sagte Ilse.
»Du legst dich jetzt hin. Du siehst halb tot aus.«
Sie zeigte ein mattes Lächeln. »Das ist nur die bessere Hälfte. Weißt du noch, wie Mama das immer gesagt hat?«
Ich nickte. »Geh jetzt rein. Ich spüle das Zeug ab.« Ich deutete auf den Gartenschlauch, der zusammengerollt an der Nordseite des Hauses lag. »Der ist angeschlossen und braucht nur aufgedreht zu werden.«
»Bist du sicher, dass dir nichts fehlt?«
»Überhaupt nichts. Ich glaube, du hast mehr von dem Salat gegessen als ich.«
Sie rang sich noch ein Lächeln ab. »Wenn ich koche, schmeckt es mir selbst immer am besten. Ich find’s großartig, wie du uns hierher zurückgebracht hast, Daddy. Ich möchte dich dafür küssen, aber mein Atem ...«
Sie machte eine reizende Kleinmädchengeste, und ich küsste sie. Auf die Stirn. Ihre Haut war kühl und feucht. »Geh rein und leg die Beine hoch, Miss Cookie - Befehl aus dem Hauptquartier.«
Sie ging. Ich drehte den Wasserhahn auf, spritzte die Seite des Malibu ab und ließ mir dabei mehr Zeit als unbedingt nötig, weil ich sichergehen wollte, dass sie hinüber war. Und das war sie.Als ich einen Blick durch die halb offene Tür des Gästezimmers warf, sah ich Ilse auf der Seite liegend wie als Kind schlafen: eine Hand unter ihre Wange gesteckt, ein Knie bis fast an die Brust hochgezogen. Wir glauben, dass wir uns verändern, aber das tun wir nicht wirklich - sagt Wireman.
Vielleicht sí , vielleicht no - sagt Freemantle.
XIV Irgendwas zerrte an mir - teils etwas, das seit dem Unfall in mir saß, teils etwas, das von der Duma Key Road mit mir zurückgekommen war. Ich ließ es zerren. Ich war mir nicht sicher, ob ich dem überhaupt hätte widerstehen können, aber ich versuchte es nicht einmal; ich war neugierig.
Die Umhängetasche meiner Tochter lag auf dem Couchtisch im Wohnzimmer. Ich öffnete sie, nahm ihre Geldbörse heraus und blätterte die Fotos darin durch. Dabei kam ich mir ein bisschen wie ein Schuft vor, aber nur ein bisschen. Schließlich stiehlst du nichts, sagte ich mir, aber natürlich gibt es viele Arten von Diebstahl, nicht wahr?
Hier war das Foto von Carson Jones, das sie mir am Flughafen gezeigt hatte, aber das wollte ich nicht. Ich wollte ihn nicht allein. Ich wollte ihn mit ihr. Ich wollte ein Foto von ihnen als Paar. Und ich fand eines. Es schien an einem Verkaufsstand an der Straße aufgenommen zu sein; hinter ihnen waren Körbe mit Mais und Gurken zu sehen. Sie lächelten und waren jung und schön. Sie hatten die Arme umeinandergelegt, und eine von Carson Jones’ Handflächen schien auf der Rundung von Ilses in Jeans steckendem Hintern zu liegen. Du liebe Güte. Mein rechter Arm juckte noch immer: ein leichtes, stetiges Kribbeln wie stechende Hitze. Ich wollte mich kratzen, griff hindurch und erwischte stattdessen zum zehntausendsten Mal meine Rippen. Auch dieses Foto steckte in einer durchsichtigen Schutzhülle. Ich zog es heraus, sah mich - nervös wie ein Einbrecher bei seinem ersten Bruch - nach der halb offenen Tür des Gästezimmers um, in dem Ilse schlief, und drehte das Bild um.
Ich liebe dich, Punkin! »Smiley«
Konnte ich einem Mann trauen, der meine Tochter Punkin
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