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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Das tut es, nicht wahr?«
    »Nein«, sagte ich. »Na ja, vielleicht.« Gezeichnet hatte ich den Strand vor dem Big Pink; so viel war zu erkennen, aber nicht viel mehr. »Ich muss das Bild erst richtig sehen, um... Tritt noch mehr zur Seite, Schatz, du bist leider nicht aus Glas.«
    »Aber eine Nervensäge, stimmt’s?« Sie lachte. Selten hatte mich ein Lachen mehr erleichtert.Was sie auf der Staffelei vorgefunden hatte, hatte sie nicht verärgert, und mein Magen entkrampfte sich wieder.Wenn Ilse nicht aufgebracht war, sank auch das Risiko, dass ich wütend wurde und uns verdarb, was bisher weitgehend eine verdammt schöne Zeit gewesen war.
    Sie trat nach links, und ich sah, was ich in meinem verwirrten Zustand vor meinem Nickerchen gezeichnet hatte. Rein technisch war dies vermutlich meine beste Zeichnung seit den ersten tastenden Versuchen mit Federzeichnungen am Lake Phalen, aber ich fand, es war kein Wunder, dass das Bild Ilse verwirrt hatte. Ich war ebenfalls verwirrt.
    Dargestellt war der Strandabschnitt, den ich durch das fast wandbreite Panoramafenster im Little Pink sehen konnte. In dem Farbton, den die Venus Company Chromgelb nannte, deuteten lässig hingeworfene Lichtreflexe auf dem Wasser einen frühen Morgen an. In der Bildmitte stand ein kleines Mädchen in einem Tenniskleid. Sie stand mit dem Rücken zum Betrachter, aber ihr rotes Haar verriet alles: Sie war Reba, mein kleiner Liebling, meine Freundin aus meinem anderen Leben. Ihre Gestalt war wenig detailliert, aber irgendwie wusste man, dass Absicht dahintersteckte - dass sie kein wirkliches kleines Mädchen, sondern nur eine Traumgestalt in einer Traumlandschaft war.
    Überall um sie herum war der Sand mit leuchtend grünen Tennisbällen bedeckt.
    Andere wurden von der zahmen Brandung an Land getragen.
    »Wann hast du das gezeichnet?« Ilse lächelte noch immer, lachte beinahe. »Und was zum Kuckuck soll es bedeuten?«
    »Gefällt’s dir?«, fragte ich sie. Mir gefiel es nämlich nicht. Die Tennisbälle hatten die falsche Farbe, weil ich nicht das richtige Grün gehabt hatte, aber das war nicht der Grund; ich hasste es, weil es sich ganz und gar falsch anfühlte. Es fühlte sich wie echtes Leid an.
    »Ich liebe es!«, sagte sie und lachte nun wirklich. »Wann hast du das gemacht? Raus mit der Sprache!«
    »Während du geschlafen hast. Ich hätte mich auch hingelegt, aber mir war so komisch im Magen, dass ich lieber in der Senkrechten bleiben wollte. Also hab ich beschlossen, ein bisschen zu zeichnen, während ich abwartete, ob mein Magen sich wieder beruhigt. Dass ich dieses Ding in der Hand hatte, habe ich erst hier oben gemerkt.« Ich zeigte auf Reba, die mit steif ausgestreckten Beinen an den Fensterrahmen gelehnt dasaß.
    »Das ist die Puppe, die du anbrüllen sollst, wenn du Sachen vergisst, stimmt’s?«
    »Etwas in der Art. Jedenfalls habe ich dann das hier gezeichnet. Das hat ungefähr eine Stunde gedauert. Als ich fertig war, habe ich mich besser gefühlt.Weniger komisch im Magen.« Obwohl ich nur sehr wenig darüber wusste, wie diese Zeichnung entstanden war, wusste ich genug, um zu erkennen, dass diese ganze Geschichte erlogen war. »Dann habe ich mich hingelegt und ein Nickerchen gemacht. Ende der Geschichte.«
    »Kann ich das Bild haben?«
    Mich durchflutete eine Woge der Bestürzung, aber mir fiel keine Möglichkeit ein, Nein zu sagen, ohne sie zu kränken oder verrückt zu klingen. »Wenn du es wirklich willst. Aber es ist nichts Besonderes. Möchtest du nicht lieber einen von Freemantles berühmten Sonnenuntergängen? Oder den Briefkasten mit dem Schaukelpferd? Ich könnte...«
    »Ich will genau dieses«, sagte Ilse. »Es ist komisch und rührend und sogar ein bisschen... ich weiß nicht... unheimlich. Auf den ersten Blick sagt man sich: ›Eine Puppe.‹ Dann sieht man genauer hin und sagt: ›Nein, ein kleines Mädchen - schließlich steht es, nicht wahr?‹ Wirklich erstaunlich, was du allein mit Buntstiften aufs Papier zu bringen gelernt hast.« Sie nickte entschlossen. »Ich will dieses oder keins. Aber du musst ihm noch einen Titel geben. Künstler müssen ihre Bilder benennen.«
    »Da geb ich dir recht, aber ich habe keine Ahnung, was...«
    »Komm, komm, kein Drumherumreden. Was dir als Erstes einfällt.«
    »Also gut - es heißt Das Spiel ist aus «, sagte ich.
    Sie klatschte in die Hände. »Wunderbar! Perfekt! Und du musst es auch signieren. Bin ich nicht furchtbar herrisch?«
    »Warst du schon immer«, sagte ich. » Très

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