Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
wollte. Er verbot mir sofort das Wort und (sagte), wenn ich nicht still wäre, würde ich des Saales verwiesen. Vom Gericht selbst geladene Zeugen waren nicht gekommen. Als ich fragte, wo die denn blieben, meinte Richter Brixner lächelnd: »Wer nicht da ist, ist halt nicht da.« Als ich schon im Gerichtssaal ankündigte, gegen dieses unglaublich skandalöse Urteil Revision einlegen zu wollen, schrie Richter Brixner: »Ihnen wird niemand helfen! Kein Bundesgerichtshof! Kein Bundesverfassungsgericht! Kein Europäischer Gerichtshof!«
Die Darstellung Mollaths findet eine Bestätigung im Brief einer Frau namens Concepcion Vila Ambrosio, die der Hauptverhandlung beigewohnt hatte. Sie schrieb acht Tage später an Brixner, sie sei erschüttert, wie er Mollath behandelt habe. Sie hielt ihm vor, er habe Mollath, einen von ihm als krank bezeichneten Menschen, acht Stunden lang malträtiert, provoziert und angeschrien. Dennoch habe dieser nicht die Haltung verloren. Er hingegen habe sich in keinem Moment beherrscht. Er sei sehr zornig gewesen und habe sich wie ein Diktator aufgeführt. Er habe sich so erregt, dass »bei mir ein Bild entstand, Sie wären nicht ein souveräner, gerechter, achtender und würdiger Richter. Warum nahmen Sie Herrn Mollath die menschliche Würde ab?«
Erschütternd war auch, was die Frau über den Pflichtverteidiger schrieb: »Ich sah Herrn Mollath ganz allein gelassen. Und das Schlimmste war zu sehen, wie dieser Anwalt …, statt bei seinem Mandanten zu sitzen, sich zu seinem Ankläger setzte. Ihm wurde die Aufgabe gegeben, Herrn Mollath zu verteidigen. Das hat er zumindest in der Verhandlung durch seine Körpersprache nicht getan.« Dass der Pflichtverteidiger – den Mollath abgelehnt hatte, weil er vor ihm gewarnt worden war – ihn völlig pflichtwidrig alleine ließ, sich nicht neben ihn, sondern neben den Staatsanwalt setzte, das beklagte auch Mollath selbst.
In einem Brief vom 14 . August 2006 schilderte ein weiterer Prozessbeobachter die Verhandlung als »nicht hinnehmbar«. Der Mann rügte, der als psychisch krank geltende Angeklagte wurde »vom verhandlungsführenden Richter immer wieder laut angeschrien und das weit über die Zeit meiner doch nur eineinhalbstündigen Anwesenheit hinaus, nach Aussagen weiterer Prozessbeobachter sogar über die ganze Zeit hinweg. Die Verhandlung war voll von Einschüchterungsversuchen und erinnerte an weniger ruhmreiche Zeiten deutscher Geschichte.« Und weiter: »Schon zu Verhandlungsbeginn ließ der Richter die Anwesenden wissen: ›Schließlich geht es hier um eine Einweisung …, darauf läuft es ja bei Ihnen hinaus.‹«
Später bestätigte auch der Schöffe Westenrieder, dass die Verhandlung so ablief. Warum protestierte in der Verhandlung dagegen nicht der Staatsanwalt? Dazu wäre er verpflichtet gewesen – er durfte nicht zusehen, wie hier das rechtliche Gehör mit Füßen getreten wurde. Und warum ließ der Leitende Oberstaatsanwalt Klaus Hubmann nicht Revision zugunsten Mollaths einlegen?
Das Urteil
Am Ende der achtstündigen Verhandlung verkündete das Gericht das Urteil. Es stellte fest, Gustl Mollath habe die ihm zur Last gelegten Straftaten verübt – er sei aber wegen Geisteskrankheit schuldunfähig. Daher werde er freigesprochen, jedoch als gemeingefährlich in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Die Kosten des Verfahrens wurden Mollath auferlegt. Anschließend wurde er zurück nach Straubing transportiert. Der Freispruch war nur eine scheinheilige Wohltat, um ihm Schlimmeres zufügen zu können – Wegsperren auf unbestimmte Zeit.
Was dann an Unglaublichem geschah, schilderte mir Mollath in einem Brief:
Als ich im BKH Straubing die Einlegung meiner Revision gegen das Urteil sicherstellen wollte – es war bereits der letzte Tag der Frist, und ich wusste nicht, ob die Revision tatsächlich eingelegt worden war –, wurde ich in die »Folterstation« A1 im geschlossenen Gang geworfen. Ich wurde unter Vollisolation in Einzelhaft gehalten. 23 Stunden am Tag war ich in der kargen Zelle eingesperrt. Selbst meine Armbanduhr nahm man mir ab. Nachts wurde die Zelle durch ein kleines Fenster in der Zellentür stündlich ausgeleuchtet – Schlafentzug gilt als eine der schlimmsten Folterarten. Ich hatte Sprechverbot mit Gefangenen. Trotz Hochsommerhitze wurde das Zellenfenster abgeschlossen.
Als Therapie musste ich Rädchen in Vorhanghalter klicken, eine Arbeit für Schwerstbehinderte, für einen Euro die Stunde. In meiner
Weitere Kostenlose Bücher