Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
auszuschließen, dass diese Entdeckung Dr. Wörthmüller sehr unangenehm war und er deshalb Mollath tatsächlich ein Gefälligkeitsgutachten angeboten hatte, wenn er darüber schweige.
Somit musste Brixner und Heinemann bewusst sein, dass Leipziger ein unhaltbares Gutachten erstellt hatte. Und sie muss ten erkannt haben, dass dies nicht aus Versehen, sondern mit Absicht geschah, weil Leipziger die Angaben Mollaths ersichtlich nicht überprüft, sondern scheinbar willkürlich eine Wahnsymptomatik diagnostiziert hatte.
Die Richter hätten daher bei Anwendung pflichtgemäßen Ermessens durch Beweiserhebung die Angaben Mollaths selbst überprüfen oder den anwesenden Staatsanwalt darum ersuchen müssen. Solchen Zwang aber taten sie sich nicht an. Stattdessen schrieben sie ungeniert in die Urteilsbegründung: »Die Kammer schließt sich dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen aufgrund eigener kritischer Würdigung an. Auch in der Hauptverhandlung hat sich – wie bereits in den von den Zeugen geschilderten Vorfällen – die wahnhafte Gedankenwelt vor allem in Bezug auf den ›Schwarzgeldskandal‹ der HypoVereinsbank bestätigt.« Dafür führten die Richter indessen keinen einzigen Beleg an. Bloße Behauptungen und leere Formulierungen aber sind in Urteilsgründen unzulässig. Wiederum ohne jeden Beleg behaupteten sie außerdem, Mollath habe fast alle Personen, die mit ihm zu tun hatten, völlig undifferenziert mit dem Schwarzgeldskandal in Verbindung gebracht. Und die einzige Person, die in diesem Zusammenhang genannt wurde, Dr. Wörthmüller, hatte das Gericht nicht einmal vernommen!
Der Schöffe Heinz Westenrieder erzählte mir später, Brixner habe geäußert, Mollath habe zu den Schwarzgeldverschiebungen nichts Konkretes vorgebracht. Die Strafanzeigen seien den Schöffen nicht gezeigt worden. Heute wisse er, dass das Urteil ein Fehlurteil war.
Ebenso skandalös war die Urteilsbegründung hinsichtlich der vorgeworfenen Straftaten. Die angebliche schwere Misshandlung hatte seine Exfrau erst im November 2002 angezeigt, ein halbes Jahr nach der Trennung. Als Tatzeitpunkt gab sie den 12 . August 2001 an. Obwohl ihr Mann sie angeblich schwer geschlagen, mit Füßen getreten, gebissen und so gewürgt habe, dass sie bewusstlos geworden sei, wäre sie demnach noch ein Dreivierteljahr bei ihm geblieben. Wer so gewürgt wird, dass er bewusstlos wird, erleidet Todesangst. Sie hatte keine Kinder, verfügte über ein gutes eigenes Einkommen. War es da plausibel, dass sie trotzdem weiter bei ihrem Mann geblieben wäre?
Dass es eine tätliche Auseinandersetzung gab, hat Petra Mollath allerdings nicht erfunden. Gustl Mollath gab das selbst zu, sagte aber, seine Frau sei auf ihn losgegangen und nicht umgekehrt – er habe sich lediglich gewehrt. Der Streit sei wegen ihrer Schwarzgeldgeschäfte entstanden.
Vor Gericht legte Petra Mollath das Attest einer Ärztin vor. Darin wurde ihr bescheinigt, dass sie mehrere blaue Flecken am Körper hatte, Würgemale am Hals (wohl ebenfalls blaue Flecken) und eine Bisswunde am rechten Ellenbogen. Das Attest hatte allerdings einen recht hässlichen Schönheitsfehler: Es datierte erst vom 3 . Juni 2002 – das war fast ein Jahr nach der angeblichen Tat! –, auch wenn es sich auf eine Untersuchung bezog, zu der Petra Mollath zwei Tage nach dem Streit in der Praxis erschienen sei. Fotos von den Flecken und der Bisswunde wurden freilich nicht präsentiert, das Attest erwähnte auch keine Behandlung, etwa eine Tetanusspritze wegen der angeblichen Bisswunde.
Außerdem gab es in den Angaben Petra Mollaths eklatante Widersprüche. Laut Attest hatte sie der Ärztin erzählt, ihr Mann habe sie zunächst an den Oberarmen festgehalten (was dafür sprach, dass er sich tatsächlich schützen wollte), sie dann »mehrfach mit der flachen Hand geschlagen«. Bei ihrer gerichtlichen Vernehmung gab sie jedoch an, ihr Mann habe sie »mindestens 20 -mal mit beiden Fäusten geschlagen«. Das war ein beträchtlicher Widerspruch. Doch Brixner und Heinemann ließen ihn unberücksichtigt und bedienten sich der schärferen Version. Ein weiterer auffälliger Widerspruch war, dass Petra Mollath bei ihrer Vernehmung vor dem Amtsgericht laut Protokoll nur ausgesagt hatte, ihr Mann habe sie »gewürgt« – dass sie bewusstlos geworden sei, behauptete sie damals nicht. Der Ärztin hingegen hatte sie laut Attest erzählt, ihr Mann habe sie »bis zur Bewusstlosigkeit« gewürgt. Das Wort »bis« besagte nicht
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