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Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Titel: Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schlötterer
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Die Staatsanwaltschaft Augsburg hatte nach eingehenden Ermittlungen festgestellt, dass der Verdacht unbegründet war. Trotzdem erteilte damals Ministerialrat Veh die Weisung, das Verfahren gegen Erich Riedl nicht einzustellen. Andererseits wurde aber nicht weiterermittelt, wie der Vorsitzende des Immunitätsausschusses des Bundestags auf Nachfrage erfuhr. Als Hintermann machte Erich Riedl Ministerpräsident Edmund Stoiber aus, was er auch öffentlich kundtat. Das Strafverfahren, das nach einem halben Jahr hätte eingestellt werden müssen, wurde über sechs Jahre lang offengehalten. Erich Riedl verlor bei der nächsten Bundestagswahl sein Abgeordnetenmandat und sein Amt als Staatssekretär, seine politische Existenz war vernichtet. In einer veröffentlichten Broschüre bezeichnete die Bundestagsverwaltung das Verhalten der bayerischen Justiz als böswillig. Auf Weisung der Staatskanzlei in München musste die Bayerische Landesvertretung in Berlin gegen diese Broschüre intervenieren, die Bundestagsverwaltung blieb jedoch fest.
    Die Parallelen des Falles Riedl und des Falles Mollath, beide politisch hochbrisant, liegen offen zu Tage. Hier wie dort belastete sich Ministerpräsident Edmund Stoiber durch sein Verhalten schwer. Hervorzuheben ist: Die Existenzvernichtung durch die Justiz geschah jeweils im Rahmen eines scheinbar rechtsstaatlichen Verfahrens, sodass die Betroffenen in der Öffentlichkeit mit dem Vorwurf des politischen Missbrauchs kein Gehör finden konnten.
    Die ersten Stationen seines Leidenswegs hatte Mollath bereits hinter sich. Aber nachdem Leipziger sein Gutachten vorgelegt hatte, griff man ihn sich endgültig. Aufgrund eines richterlichen Beschlusses vom 1 . Februar 2006 wurde er in die forensische Abteilung des Bezirkskrankenhauses Bayreuth verbracht. Das war rechtswidrig, denn es bestand keine konkrete Gefahr – bis dahin war er ein Jahr in Freiheit gewesen, ohne dass man ihm irgendeine Straftat hätte anlasten können.
    Eine weitere Maßnahme war, dass man ihn höchst fürsorglich unter vorläufige Betreuung stellte, also faktisch entmündigte. Es ging jetzt um seine Habe. Seine mittlerweile von ihm geschiedene Ehefrau machte Forderungen gegen ihn geltend. Bald sollte Mollath mittellos sein.
    Voller Verzweiflung verfasste er am 21 . April 2006 eine Petition an den Bundestagsabgeordneten Hans Christian Ströbele. Er übergab sie dem Stationsleiter seiner Abteilung zur Weiterleitung an die Post. Doch am übernächsten Tag, um 7 . 30 Uhr, wurde er aufgefordert, seine Sachen zu packen. Mollath berichtet: »Um 8 . 30 Uhr saß ich, mit Hand- und Fußfesseln, im Gitterbus auf dem Weg in den Ober-Gulag der bayerischen Forensischen Psychiatrien, dem BKH Straubing.« Wer hatte das veranlasst? Und warum? War es eine Sanktion auf seine Petition? Oder wollte man ihn vor dem bevorstehenden Prozess vollends von seiner Umgebung abschneiden, den Kontakt mit Anwälten oder Freunden erschweren? Ein legitimer Grund ist nicht ersichtlich, und in der Sache Mollath an Zufälle zu glauben, fällt allen damit Befassten sehr schwer.
    Der Prozess
    Die nächste Station auf Mollaths Leidensweg war die Aburteilung am 8 . August 2006 durch eine Kammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth, besetzt mit dem Vorsitzenden Richter Otto Brixner, der Richterin Petra Heinemann und zwei Schöffen. Gefesselt wurde der Angeklagte in den Gerichtssaal geführt, dort wurden ihm die Handschellen abgenommen. Die Schöffen konnten sehen, wie gefährlich er einzuschätzen war.
    Die Anklage lautete auf Misshandlung seiner früheren Ehefrau, Freiheitsberaubung ihr gegenüber und – was seit der Verhandlung vor dem Amtsgericht überraschend hinzugekommen war – das angebliche Aufstechen von Reifen an den Autos mehrerer Personen, die mit seiner Frau in Verbindung standen. Von diesem zusätzlichen Anklagepunkt hatte er, so Mollath später, erst vier Tage vorher in Straubing erfahren.
    Weil dies bei Verhandlungen vor einer Strafkammer des Landgerichts, anders als vor einem Amtsgericht, eigenartigerweise nicht vorgeschrieben ist, gibt das Sitzungsprotokoll weder die Aussagen Mollaths noch der Zeugen wieder, ebenso nicht Fragen und sonstige Äußerungen des Vorsitzenden Richters und des Staatsanwalts. Aber Mollath berichtete darüber später in einem an mich gerichteten Brief:
    Richter Brixner … hat getobt, sobald ich auf die Schwarzgeldverschiebungen der HypoVereinsbank zu sprechen kommen und den ursächlichen Zusammenhang erklären und darstellen

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