Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
Zelle habe ich fast 350 Kilogramm gefertigt.
Meiner Zelle gegenüber war die Fixierungszelle. Die Schreie und Bitten meiner Mitgefangenen werde ich nie vergessen. Ein Beispiel: Vlastimil S. aus Tschechien telefonierte mit seinem Konsulat in München, natürlich in seiner Muttersprache. Da kam eine Aufseherin und schlug, das Gespräch unterbrechend, ohne Ankündigung auf die Gabel des Telefons. Telefonsprache nur auf Deutsch, habe der Stationsarzt angeordnet, sagte sie. Vlastimil beschwerte sich verbal. Daraufhin rief die Aufseherin den Sicherheitsdienst. Männer schleiften den kleinen, schmächtigen Vlastimil in die »Fixe« und fesselten ihn auf die Pritsche in der bis oben weiß gekachelten Zelle. Seine Schreie und Bitten nützten nichts, er wurde vom Stationsarzt abgespritzt.
Als meine Revision gegen das Urteil verworfen wurde, kam ich in eine andere Station. Ein halbes Jahr hatte man mich in der Zelle im geschlossenen Gang gehalten.
Dass sich alles so abgespielt hat, wie Mollath es schildert, unterliegt für mich keinem Zweifel. Denn seine Angaben über den Ablauf der Hauptverhandlung wurden auch von unabhängigen Zeugen so bestätigt.
Wer veranlasste, dass Mollath in den geschlossenen Gang kam? Und warum? Es war ein schwerer Missbrauch. Mollath hatte keine Tätlichkeit begangen, sondern lediglich, wie er erzählt, darum gebeten, wegen der Revisionseinlegung Kontakt mit einem Rechtspfleger herzustellen, wie es in der Rechtsmittelbelehrung empfohlen wurde. Während er in einem Raum darauf wartete, sei plötzlich der Stationsarzt mit zwei Männern hereingekommen, die ihn in den geschlossenen Gang verbracht hätten.
Mollath galt nunmehr als krank und damit therapiebedürftig. Aber was war denn das für eine Therapie, einen Mann, der Maschinenbau studiert hatte, stumpfsinnig Rädchen in Vorhanghalter klicken zu lassen? Man beachte: Die Anstalt firmiert als Krankenhaus.
Als sich Mollath deswegen mit einer Petition an den Landtag wandte, wies der Staatssekretär Jürgen Heike die Vorwürfe zurück – unter Vorlage einer Stellungnahme des Bezirkskrankenhauses, in der es unter anderem unverfroren hieß: »Das Verschließen des Zimmerfensters bei Herrn Mollath ist zeitweise aus Behandlungsgründen und aus Sorge um ein ungestörtes therapeutisches Klima der Abteilung notwendig.« Wenn man das liest, muss man selbst nach Luft schnappen.
Die Begründung des Urteils
Das Urteil war ein bodenloses Machwerk. Mollath wurde, wie bereits erwähnt, zur Last gelegt, er habe seine Frau schwer misshandelt, ihr gegenüber Freiheitsberaubung begangen und die Reifen der Autos dritter Personen aufgestochen. Tatsächlich aber gab es dafür keine stichhaltigen Beweise. Unterstellt man trotzdem, er hätte diese Straftaten wirklich begangen – was wäre dann normalerweise die Rechtsfolge gewesen? Die Misshandlung ohne sichtbare Verletzungen außer blauen Flecken und einer Bisswunde hätte als Affekttat gegolten. Die Freiheitsberaubung von etwa einer Stunde wäre als relativ leichte Straftat zu bewerten gewesen, ebenso das Aufstechen der Reifen mit einem Gesamtschaden von 6870 , 00 Euro. Mollath hätte, weil er nicht vorbestraft war, eine Freiheitsstrafe auf Bewährung erhalten, wäre also glimpflich davongekommen.
Ins Verderben stürzte ihn, dass ihm der Facharzt Leipziger und die Richter eine Geisteskrankheit andichteten, die ihn gemeingefährlich machte. Das war der arglistige Kern der Urteilsbegründung.
Die Richter Brixner und Heinemann zitierten hierfür die Befunde des Leipziger-Gutachtens, insbesondere dass Mollath an einem paranoiden Wahnsystem leide, weil er unkorrigierbar der Überzeugung sei, eine Reihe von Personen aus dem Geschäftsfeld seiner früheren Ehefrau sowie diese selbst seien in Schwarzgeldverschiebungen verwickelt. Der Wahn zeige sich auch daran, dass er beliebige weitere Personen in seine krankhaften Vorstellungen einbeziehe, zum Beispiel Dr. Wörthmüller.
Die beiden Berufsrichter wussten, dass die Angaben über die Schwarzgeldverschiebungen nicht überprüft worden waren und daher nicht als Wahnvorstellung eingestuft werden konnten. Was Dr. Wörthmüller betraf, so hatte Mollath zudem gar nicht behauptet, dass dieser in den Schwarzgeldskandal verwickelt sei. Vielmehr hatte er lediglich gesagt, dieser sei mit einem Mann befreundet, von dem er wisse, dass er zusammen mit zwei früheren Kollegen seiner Frau Schwarzgeldverschiebungen betrieben habe. Außerdem konnte das alles zutreffen. Ebenso war nicht
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