Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
ausziehen. Ich wurde Tag und Nacht von einer Kamera beobachtet.
Überallhin sei er mit Handschellen gebracht worden. Zuvor habe er entdeckt, dass Dr. Wörthmüller mit einem Mann befreundet war, der mit seiner Ehefrau eng zusammengearbeitet hatte und später mit zwei früheren Kollegen seiner Ehefrau im Vorstand einer Finanzanlagegesellschaft zusammenarbeitete. Diese Gesellschaft hätte die Schwarzgeldverschiebungen in die Schweiz fortgesetzt. Als er den Chefarzt mit diese Freundschaft konfrontierte, habe der ihm aufs Äußerste erschreckt angeboten, er erstelle über ihn ein harmloses, die Thematik der Schwarzgeldverschiebungen ausklammerndes Gutachten, wenn er die Verbindung nicht aufdecke. Er, Mollath, sei auf den Handel aber nicht eingegangen.
Dass sich das so abgespielt hat, dafür spricht auch Folgendes: Der Chefarzt teilte dem Gericht später von sich aus mit, er könne das Gutachten nicht anfertigen, da er befangen sei. Die Begründung, die er dafür angab – er sei von einem Nachbarn, »mit dem ich freundschaftlich verbunden bin, ausführlich über seine Sichtweise der Angelegenheit Mollath informiert worden« –, klang alles andere als zwingend. Nachdenklich musste zudem stimmen, dass er selbst dem Gericht einen anderen Gutachter empfahl, nämlich den ihm bestens bekannten Kollegen Leipziger vom Bezirkskrankenhaus Bayreuth.
Zwei Monate später ordnete das Amtsgericht die Einweisung Mollaths für die Dauer von fünf Wochen nach Bayreuth an. Am 13 . Februar 2005 verhaftete ihn die Polizei und lieferte ihn im dortigen Bezirkskrankenhaus ein – liegend, mit am Rücken gestreckt parallel gefesselten Händen. Die dadurch verursachten Verletzungen dokumentierte der aufnehmende Arzt schriftlich, außerdem fotografierte er sie mit einer Digitalkamera. Chefarzt Klaus Leipziger versuchte mehrmals, mit Mollath ein Explorationsgespräch zu führen. Dieser weigerte sich jedoch, erklärte, er sei völlig gesund und werde sich daher weder körperlich noch neurologisch untersuchen lassen oder Auskünfte geben. Nach fünf Wochen wurde Mollath wieder entlassen und fuhr mit dem Zug zurück nach Nürnberg.
Ein wünschenswert hilfreiches Gutachten
Ohne Explorationsgespräch und ohne körperliche Untersuchung ist ein psychiatrisches Gutachten anerkanntermaßen praktisch wertlos, es kann nur Spekulationen anstellen. Erstaunlicherweise jedoch gelangte Leipziger in seinem Gutachten vom 25 . Juli 2005 zu eindeutigen Resultaten. Er verkündete: »Beim Angeklagten ist mit Sicherheit eine bereits seit Jahren bestehende, sich zuspitzende paranoide Symptomatik (Wahnsymptomatik) festzustellen, die ihn … so weit beeinträchtigt, dass er zu einem weitgehend normalen Leben und der Besorgung der für ihn wesentlichen Angelegenheiten im Außenraum nicht mehr in ausreichendem Maße in der Lage ist.« Das leitete er insbesondere aus den Strafanzeigen Mollaths ab, teils auch aus seinem angeblichen Verhalten im Bezirkskrankenhaus.
Der Angeklagte habe, so Leipziger, in mehreren Bereichen ein »paranoides Gedankensystem« entwickelt. Der Chefarzt führte aus: »Hier ist einerseits der Bereich der Schwarzgeldverschiebung zu nennen, in dem der Angeklagte unkorrigierbar der Überzeugung ist, dass eine ganze Reihe von Personen aus dem Geschäftsfeld seiner früheren Ehefrau, diese selbst und nunmehr auch beliebige weitere Personen, die sich vermeintlich oder tatsächlich gegen ihn stellen (müssen), zum Beispiel auch Dr. Wörthmüller, der ursprünglich mit der stationären Begutachtung des Angeklagten beauftragt war, in dieses komplexe System der Schwarzgeldverschiebung verwickelt wäre.«
Das war pure Dichtung. Denn erstens hatte die Angaben Mollaths niemand überprüft, wie konnte Leipziger da von »unkorrigierbaren« Wahnvorstellungen sprechen? Zumal es keinerlei Therapieversuche gab, weil Mollath mit ihm kein Gespräch führte. Zweitens gab er keinerlei Belege dafür an, dass Mollath »nunmehr auch beliebige« Personen in die Schwarzgeldverschiebungen einbezogen hatte. Überdies schrieb Leipziger von einer Vielzahl von Personen, nannte dann aber bloß eine einzige: seinen Kollegen Wörthmüller.
Als Beweis für Mollaths Paranoia führte Leipziger an, dass dieser behauptet habe, Wörthmüller habe ihm angeboten, ein Gefälligkeitsgutachten zu schreiben, falls er seine Verwicklung in den Schwarzgeldskandal nicht offenbare. Leipziger unterstellte also ohne weitere Recherche, dass das nicht zutraf. Woher wollte er das wissen? OhneGrund
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