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Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Titel: Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schlötterer
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von ihm getrennt hatte und mit einem neuen Mann, einem Hypo-Vereinsbank-Direktor, liiert war. Sie hatte doch von ihrem früheren Ehemann nichts mehr zu befürchten.
    Von der Rechtslage her war klar, dass die Feststellung einer Geisteskrankheit allein noch nicht zur Einweisung in die Psychiatrie führen würde. Es musste eine aus der Geisteskrankheit resultierende Gemeingefährlichkeit hinzukommen. Eine Misshandlung der Ehefrau innerhalb der häuslichen Gemeinschaft war noch kein Beweis, dass auch Dritte gefährdet waren.
    Doch Gustl Mollath brachte seine inzwischen von ihm geschiedene Frau immer stärker in Bedrängnis, weil er weiter Strafanzeigen erstattete, zum Beispiel mit Schreiben vom 27 . Oktober 2004 an den Generalstaatsanwalt und den Leitenden Oberstaatsanwalt in Nürnberg. Bald darauf ereignete sich eine merkwürdige Serie von Reifenstechereien an den Autos verschiedener Personen. Es handelte sich um acht Fälle, in einem weiteren Schadensfall waren die Seitenfenster des Autos verkratzt worden. Die Polizei konnte zunächst keinen Zusammenhang erkennen, bis Petra Mollaths Rechtsanwalt der Polizei einen Brief übermittelte, den Gustl Mollath fünf Monate zuvor an ihn gerichtet hatte. Darin warf er fünf der Geschädigten vor, sie hätten gegen ihn, Mollath, gearbeitet. Die Polizei zog daraus den Schluss, dass Mollath sich an diesen und weiteren Personen hatte rächen wollen. Mollath wurde nun auch noch wegen der Reifenstechereien angeklagt. Jetzt galt er als gemeingefährlich! Jetzt war es um ihn geschehen!
    Mollath wurde von dem neuen Vorwurf völlig überrascht, erst vier Tage vor der Hauptverhandlung wurde er durch die ihm übergebene Anklageschrift damit konfrontiert. Nach Paragraf 16 3 a der Strafprozessordnung hätte ihn zuvor die Staatsanwaltschaft zu diesem Vorwurf vernehmen müssen, ihm rechtliches Gehör und die Möglichkeit zu aufklärenden Anträgen einräumen müssen. Das ist zwingend vorgeschrieben. Warum setzte sich die Staatsanwaltschaft darüber hinweg? Mollath erklärte vor Gericht, dass er deswegen nicht in der Lage sei, sich wirksam zu verteidigen. Die Richter Brixner und Heinemann rührte das nicht.
    In der Urteilsbegründung erwähnten sie beiläufig in einem Nebensatz, nur ein Teil der Schadensfälle sei von der Staatsanwaltschaft angeklagt worden. Als ich das las, stutzte ich. Wieso nur ein Teil? Warum schwiegen sich die Richter darüber aus? Der Polizeibericht gab Aufschluss: In drei der nicht angeklagten Fälle ließ sich eine Verbindung zu Mollath nicht herstellen, die Polizei stufte sie deshalb als »Zufallsgeschädigte« ein. Die These, Mollath sei der Täter, stand damit aber auch in den angeklagten fünf Fällen auf wackligen Beinen, was anscheinend im Prozess nicht aufscheinen sollte. Dann aber der vierte, nicht angeklagte Fall, bei dem sich – es handelte sich um ein Transportunternehmen – eine Beziehung zu Mollath herstellen ließ. Warum wurde dieser Fall in der Anklage ausgespart?
    Laut Polizeibericht waren da nicht nur Reifen aufgestochen, sondern in der Garage und im Keller des Inhabers gelagertes Schießpulver war auf dem Firmengelände verstreut worden. Ein anonymes Schreiben, das jemand in den Briefkasten der Feuerwache 3 in Nürnberg eingeworfen hatte, verwies in primitivem Deutsch auf das Schießpulver, und ein unbekannter Mann machte in einem Telefonanruf bei der Feuerwache auf den eingeworfenen Brief aufmerksam. Der Polizeibericht vermerkte: »Vom Original wurde eine erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt. Die gesicherten daktyloskopischen Fingerspuren konnten jedoch nicht dem Tatverdächtigen Mollath zugeordnet werden.« Schau, schau! Es kam also ein ganz anderer Täter für diesen Fall in Betracht – und damit auch für die anderen Fälle! Welchen Grund hätte die Staatsanwaltschaft sonst gehabt, diesen Fall auszusparen? Warum wurde in der Hauptverhandlung nicht darauf hingewiesen? Warum vermieden die Richter im Urteilstext jeden Hinweis auf den anderen Täter? Zu schließen ist daraus, dass sie auch die Schöffen in Unkenntnis ließen.
    Die These, Mollath habe sich an seinen Feinden rächen wollen, wurde jedoch durch die Tatsache widerlegt, dass an den Autos seiner früheren Frau, ihres sie nachhaltig unterstützenden Bruders und des mit ihr liierten Hypo-Vereinsbank-Direktors, die er als seine Hauptfeinde betrachten musste, die Reifen nicht aufgestochen worden waren. Auch das ließen die Richter unerwähnt. Stattdessen stellten sie heraus, dass eine

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