Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
gebührt hoher Respekt.
Die Verantwortlichkeit des Ministerpräsidenten Edmund Stoiber
Wie bereits erwähnt, hatte Mollath den Ministerpräsidenten mehrmals schriftlich auf die Schwarzgeldverschiebungen und Steuerhinterziehungen der HypoVereinsbank hingewiesen und ihn aufgefordert, dagegen einzuschreiten, ohne dass Stoiber darauf geantwortet hätte. Auch wenn er sich blind, taub und stumm stellte, konnte er sich seiner Verantwortlichkeit nicht entledigen.
Wie der frühere Kultusminister Hans Zehetmair in einem SZ -Interview preisgab, forderte Stoiber wegen aller Dinge, die ihm auffielen, vom jeweiligen Minister Rechenschaft – ohne Rücksicht auf das Ressortprinzip. Hier aber hätte er sogar eingreifen müssen. Zum einen durfte er nicht über das ihm angezeigte krasse Fehlverhalten der Justiz hinweggehen, weil darin eingeschlossen war, dass die Justizministerin gegebenenfalls ihrer Aufsichtspflicht nicht genügte, Machenschaften duldete oder sogar dazu anwies. Zum anderen war der Freistaat Bayern zu zehn Prozent Anteilseigner der HypoVereinsbank. Über Straftaten der Banker durfte der Ministerpräsident daher keinesfalls hinwegsehen. Zumal zu klären war, ob die Vertreter des Staates im Aufsichtsrat davon wussten oder vom Vorstand der Bank hintergangen wurden. Auf Milliardenbeträge hätten sich die über zehn Jahre hinweg betriebenen Schwarzgeldverschiebungen addiert, hatte Mollath dem Ministerpräsidenten eindringlich vorgehalten.
Freilich bedachte die HypoVereinsbank die CSU großzügig mit Parteispenden. Wie ein Manager der Bank verriet, betrugen diese Zuwendungen um die 500 000 Euro, der Stückelung halber gezahlt über Tochtergesellschaften wie zum Beispiel die Salvatorplatz GmbH oder die Hawa GmbH. War das Motiv für das Schweigen Stoibers, dass er sich diese großzügige Geldquelle nicht verscherzen wollte? Wer einen großen Betrag spendet, wird vermutlich seinen Protegé daran erinnern, wenn ihm ein Strafverfahren ins Haus steht. Im Hinblick darauf und auf die Bedeutung der HypoVereinsbank als zweitgrößter deutscher Bank liegt es nicht außerhalb der politischen Lebenserfahrung, wenn man annimmt, dass Justizministerin Merk und Innenminister Beckstein Stoiber frühzeitig über die drohende Aufdeckung der Schwarzgeldverschiebungen informiert und sich mit ihm darüber besprochen haben.
In der Erlebniswelt der Forensischen Psychiatrie
Nach dem Scheitern seines Revisionsantrags war Mollath endgültig in einer geschlossenen Anstalt weggesperrt. Er verlor den Kontakt zur Außenwelt; Freunde und Bekannte wussten nicht, wo er geblieben war. Seine Frau hatte längst ihren Liebhaber, den Hypo-Vereinsbank-Direktor, geheiratet. Mollaths Hilferufe verhallten – Briefe eines gemeingefährlichen Geisteskranken, wer nahm sie schon ernst? Mit so einem wollte man nichts zu tun haben.
Sein Alltag war trostlos. Eine Stunde Hofgang am Tag, anfangs nur in Handschellen. Keine sinnvolle Beschäftigung. Nachts fand dreimal eine Zellkontrolle statt, in Straubing sogar stündlich! Das vom Gang hereinfallende Licht riss ihn jeweils aus dem Schlaf, er litt darunter schwer. Demütigend waren die Durchsuchungen seiner Zelle, noch demütigender die Körperkontrollen, bei denen er sich nackt ausziehen musste. Eine Therapie fand nicht statt, weil er sich ihr zu Recht verweigerte.
Das Essen war anfangs schlecht, später akzeptabel. Abends gab es Fernsehen zusammen mit den Mithäftlingen, teils primitiven und wirklich psychisch kranken Menschen, teils Schwerverbrechern. Deren Geschmack war auf Pornofilme ausgerichtet, sie spielten zusätzlich eigene, besonders harte Porno- DVD s ab. Mollath ist ein intelligenter Mann, die Insassen wandten sich daher oft an ihn, wenn sie Probleme hatten. Er versuchte ihnen mit Rat zu helfen. Der Abteilungschefarzt Klaus Leipziger freilich deklarierte es in seinen Stellungnahmen gegenüber dem Gericht (das über die Fortdauer der Inhaftierung zu entscheiden hatte) als Symptome des paranoiden Wahns, dass Mollath sich gegenüber Mithäftlingen als Rechtsberater betätige und des Öfteren das Fernsehprogramm umschalten wolle. Mollath war Leipziger ausgeliefert. Er hatte keine Aussicht, wieder freizukommen. Sein Haus war versteigert, Möbel, Autos und Kleidung waren weggebracht worden. Er hatte keinen Pass, keine Zeugnisse mehr. Sein Leben war zerstört.
Der Kampf um die Freilassung
Gab es überhaupt eine Chance, Gustl Mollath freizubekommen? Es bedurfte eines Kraftakts ohnegleichen.
Im April 2007
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