Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
mit detaillierten Angaben und vielen Namen versehenen Strafanzeige über Schwarzgeldverschiebungen in vielfacher Millionenhöhe aus eigener Machtvollkommenheit abgelehnt hätte. Er hätte sich damit strafbar gemacht wegen Strafvereitelung im Amt und seine Karriere ruiniert. Und selbst der mit dem Fall befasste Leitende Oberstaatsanwalt sowie der ebenfalls damit befasste Generalstaatsanwalt hätten sich nie und nimmer dieser Gefahr ausgesetzt. Es muss daher eine Weisung von oben gegeben haben.
Das war meine sofortige Schlussfolgerung. Es konnte nicht anders sein, denn jeder Beamte sichert sich nach oben ab. In einem vergleichbaren Skandalfall – es ging um ein Steuerstrafverfahren gegen Leo Kirch wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung von 400 Millionen Mark – hatte ein Münchner Oberstaatsanwalt 1998 diesen Sachverhalt bestätigt. Die Staatsanwaltschaft vernahm Leo Kirch zwar formell, durfte aber »keine strenge Vernehmung« durchführen, wie der Oberstaatsanwalt der empörten Steuerfahndung eröffnete, sich auf eine Weisung »der Justiz außerhalb der Staatsanwaltschaft« berufend. Das hieß, es gab eine Weisung des Justizministeriums. Der empörte Leiter der Steuerfahndung München hielt dies in einem nach oben weitergeleiteten Aktenvermerk fest. Bald nach der Vernehmung Kirchs wurde das Strafverfahren mit einer skandalösen, unhaltbaren Begründung eingestellt. Auch als es um ein Auskunftsersuchen nach Luxemburg wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung durch das Unternehmen des Strauß-Freundes Karl Diehl ging, meldete sich bei der Staatsanwaltschaft in Nürnberg ein Ministerialrat aus dem Justizministerium mit Einwänden. Warum sollte es hier anders sein?
Meine Beurteilung sah ich durch eine mir später zugegangene, zur Vorlage beim Landtag bestimmte eidesstattliche Versicherung des früheren Nürnberger Richters Rudolf Heindl bestätigt. Er schrieb darin, die Strafanzeige Mollaths sei von der Justiz »aufgrund einer Anordnung, die ihr aus der Politik zugegangen ist, unterdrückt worden«. In einem späteren Schreiben an den Gutachter Friedemann Pfäfflin nannte Heindl auch den Namen des Politikers, der, wie er behauptete, dahinterstand – einen Beweis hierfür führte er allerdings nicht an. Dennoch darf man annehmen, dass in diesem hochpolitischen Fall, bei dem es um die HypoVereinsbank ging, Justizministerin Merk den Ministerpräsidenten Stoiber informierte und sich mit ihm absprach. So jedenfalls ließe sich dessen rätselhaftes Schweigen auf die an ihn gerichteten Petitionen Mollaths zu erklären.
Mollath freilich führte das Fehlverhalten der Justiz noch auf einen anderen Umstand zurück. Er wies wiederholt darauf hin, dass der Leitende Oberstaatsanwalt Hubmann als Präsident und Schatzmeister eines Rotary-Clubs enge Beziehungen mit den Direktoren der HypoVereinsbank, die selbst Rotarier seien, unterhalte. In einem Brief warf er Hubmann vor, der Club habe sogar sein Büro in den Räumen der Bank, die Clubsekretärin sei eine Bankangestellte. Tatsächlich gibt dieser Rotary-Club als Adresse seines Sekretariats die HypoVereinsbank an. Dasselbe gilt für die weiteren Rotary-Clubs in Nürnberg, darunter auch denjenigen, in dem der frühere Landgerichtspräsident Ernst Neusinger Mitglied ist. Der Verdacht Mollaths war daher nachvollziehbar. Was Hubmann angeht, so sagte man ihm eine starke Nähe zur CSU nach, er wurde schließlich Generalstaatsanwalt. Zimperlich war er nicht. Beim Festakt zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand sorgte er für einen gewaltigen Eklat, als er die anwesende Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger im Hinblick auf die Regelung zur Vorratsdatenspeicherung zum Rücktritt aufforderte.
Dennoch ist wenig wahrscheinlich, dass sich die Nürnberger Justiz aufgrund der geschilderten Rotarier-Konstellation zu ihrem ungeheuerlichen Verhalten verleiten ließ. Ohne eine Weisung des Justizministeriums und ohne dessen Rückendeckung wäre das Risiko viel zu groß gewesen.
Justizministerin Merk wird auch dadurch schwer belastet, dass sie zu einer Landtagspetition Mollaths und einer späteren Landtagspetition der »Solidargemeinschaft für Gustl Mollath« jeweils Stellungnahmen abgab, aufgrund deren Mollath weiterhin weggesperrt blieb. Bei der »Solidargemeinschaft« handelt es sich um einen Kreis von Freunden und um andere Unterstützer, die alle das an Mollath verübte Verbrechen erkannt hatten. Ihren nimmermüden Bemühungen, ihm wieder zur Freiheit zu verhelfen,
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