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Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Titel: Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schlötterer
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Stoiber, Gerold Tandler, Erwin Huber, Günther Beckstein und andere CSU -Spitzenpolitiker unentwegt das christliche Sittengesetz und die christlichen Grundwerte als Leitlinien staatlichen Handelns. Jeder Ministerpräsident machte sofort nach seiner Wahl einen Antrittsbesuch beim Papst. Die kirchlichen Würdenträger ließen sich täuschen. Sie nahmen nicht wahr, dass die Politiker die Kirche als Fuhrwerk benutzten, um damit die eigene Karriere als Ernte einzubringen.
    Oder wollten Bischöfe, Prälaten und Priester sich täuschen lassen? Dieser bisweilen zu hörende Vorwurf ist sicher unbegründet. Sie vermochten wie die Mehrzahl der Bürger wohl nicht zu glauben, dass die Taten der Politiker nicht mit ihren frommen Worten in Einklang standen. Der damalige Spiegel -Herausgeber Rudolf Augstein hingegen schrieb zutreffend nach dem Tod von Strauß, dass dieser »mit seiner Verachtung des Rechtsstaats unter der christlich katholischen Haube die gar nicht so alte Republik in Gefahr gebracht hätte«. Natürlich traten alle CSU -Politiker dafür ein, dass das Kreuz in den Klassenzimmern hängen blieb. Aber was an üblen Dingen geschah, davon hielt sie auch nicht ihr Amtseid ab, den sie stets unter der Anrufung Gottes ablegten. Papst Benedikt XVI. ließ sich ebenfalls täuschen, sagte er doch als Münchner Kardinal beim Tod von Strauß in seiner Predigt: »Wie eine Eiche stand er vor uns …«
    Prof. Hans Maier war nicht nur Kultusminister, sondern über zwölf Jahre Präsident des Zentralkomitees deutscher Katholiken. Dieses Amt, von Strauß als »Katholikenzeugl« bezeichnet, habe Strauß kräftig im Magen gelegen, so Maier. Kein Wunder.
    Die gutgläubigen katholischen Priester aber wirkten über die Jahrzehnte hinweg als getreue Wahlhelfer. Damit jedoch ist es wohl inzwischen vorbei, obwohl das Heischen um Wohlwollen anhält. Dass Horst Seehofer als frischgebackener Ministerpräsident sogleich beim Papst vorsprach und später anlässlich der Ernennung von Erzbischof Reinhard Marx zum Kardinal mit nach Rom reiste, war wohl der Versuch einer solchen »captatio benevolentiae«, eines »Trachtens nach Wohlwollen«. Im Übrigen aber ist Reinhard Marx viel zu intelligent, um sich täuschen zu lassen. Im April 2012 überreichte Edmund Stoiber in Castelgandolfo dem Papst ein Buch mit positiven Äußerungen hochstehender Zeitgenossen wie zum Beispiel Franz Beckenbauer über ihn. Ob Benedikt XVI . für diese hochherzige Tat Stoiber einen Sündenablass gewährt hat, wurde nicht bekannt. Der Osservatore Romano konnte jedenfalls weder nach der Rückkehr Seehofers noch der Stoibers in ihre Heimat vermelden, dass der Hirtenstab des Papstes ergrünt wäre – anders als weiland Richard Wagners Tannhäuser haben sie anscheinend keine Reue gezeigt.
    Wohl mit Blick auf die Landtagswahl 2013 stellte Horst Seehofer sein tief verwurzeltes Christentum öffentlich unter Beweis, indem er sich über Ostern 2012 , bewacht von seiner Ehefrau, in das Nonnenkloster Waldsassen begab. Was er dort wollte, stellte er auf Facebook klar: »Möbel im Kopf aufräumen, geistige Kraft schöpfen.« Ersterer Vorsatz des Novizen war löblich, letzterer bedrohlich.
    Doch Seehofer vermochte nicht jeden Mann der Kirche zu überzeugen. Denn bald darauf beklagte sich der neue Caritas-Direktor für Bayern, der 90 000 Mitarbeiter repräsentiert, er bekomme keinen Gesprächstermin beim Ministerpräsidenten. Das werfe die Frage auf, »welchen Stellenwert bei ihm das Soziale hat«. Hatte nicht Seehofer propagiert, die CSU sei »die Partei der kleinen Leute«? Und es gebe für ihn »nichts Schöneres, als den kleinen Leuten zu helfen«? Doch Seehofer hatte offenbar Wichtigeres zu tun. Denn tags darauf berichtete die Süddeutsche Zeitung , Seehofer habe in Rom dem Papst zum 85 . Geburtstag gratuliert. Und am übernächsten Tag vermeldete sie, »Pater Horst geht wieder in Klausur« – Seehofer versammelte seine Getreuen im Kloster Andechs. Das ergab eine hervorragende Optik.
    Am 4 . Oktober 2012 tagte das bayerische Kabinett zusammen mit der Freisinger Bischofskonferenz. Kardinal Marx drang auf eine humanitäre Unterbringung von Flüchtlingen. Seehofer versicherte ihm, die Sorge ernst zu nehmen und uneingeschränkt für Humanität einzutreten. Humanität – das würde man sich von Seehofer auch in anderen Dingen wünschen.

2 Praktiken im Schattenreich von Strafjustiz und Polizei
    Justizministerin in Bayern ist seit Oktober 2003 Beate Merk. Damals holte Edmund Stoiber die

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