Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
Oberbürgermeisterin von Neu-Ulm in sein Kabinett. Sie hat daher zu verantworten, was bis heute in ihrem Ressort geschah. Die Dame sagt von sich: »Ich bin konservativ und liberal.« Bei einem sonntäglichen Stammtisch im Bayerischen Fernsehen betonte sie: »Wir Politiker brauchen das Vertrauen der Bürger.« Natürlich, wenn die Bürger glauben, dass alles in Ordnung ist, dann lässt sich beliebig schalten und walten. Dass dieses Vertrauen aber gerade ihr gegenüber nicht gerechtfertigt ist, wird durch all das belegt, was von ihr zu verantworten ist.
Diese Taten würden eine Ahndung erfordern. Im Hinblick auf die Fälle von Kindesmissbrauch in Internaten und Schulen haben Beate Merk und Horst Seehofer die Verlängerung der Verjährungsfrist für solche Straftaten gefordert. Das Gleiche sollte indessen auch für Amtsdelikte geschehen. Denn wenn eine neue Regierung antritt, sind die Straftaten der bis dahin verantwortlichen Amtsträger meist verjährt, zumal wenn die Vorgängerregierung lange im Amt war.
In Macht und Missbrauch habe ich zahlreiche massive Straftaten im Bereich der bayerischen Justiz dokumentiert. Ein Strafantrag gegen mich wurde nicht gestellt, es gab nicht einmal ein Dementi des Justizministeriums. Dies war verständlich, denn da gab es nichts zu bestreiten. Weil sich die »Merkwürdigkeiten« aber seitdem fortgesetzt haben, scheint es angezeigt, die Beweiskette zu verlängern.
Als ich in einer Lesung die Missbräuche in der Justiz, insbesondere bei den Staatsanwaltschaften, anprangerte, meldete sich eine Dame zu Wort. Sie sagte, sie sei früher Richterin am Oberlandesgericht München gewesen. Sie müsse die Staatsanwälte in Schutz nehmen. Die seien nämlich weisungsgebunden. In politischen Fällen würden sie »von oben« Weisungen erhalten, die sie dann halt befolgen müssten. Aber manche Richter entrüsten sich doch. Ein Vorsitzender Richter am Landgericht München I empörte sich darüber, dass die Staatsanwälte die Weisungen des Justizministeriums teils sogar in den Akten liegen ließen!
Im Januar 1994 war es im Rechts- und Geschäftsausschuss des Landtags zu einem gewaltigen Eklat gekommen. Der frühere CSU -Innenstaatssekretär und Münchner Ex-Oberbürgermeister Erich Kiesl warf dem damaligen Justizminister Hermann Leeb plötzlich zu dessen Entsetzen vor, dass spezielle Teile von Staatsanwaltschaft und Gerichten in Bayern sich »zu politischen Zwecken gebrauchen lassen und missbraucht werden«. Dies sei gang und gäbe. Dem Justizminister, der ihn zu stoppen versuchte, schleuderte er entgegen: »Ich bin in der Partei nicht mehr so gebunden, dass ich Rücksicht nehmen müsste.«
Dass die Staatsanwaltschaft in politischen Fällen – in denen sie kraft Dienstvorschrift automatisch nach oben berichten muss – vom Justizministerium gesteuert wird, hatte ich schon wiederholt erlebt oder erfahren. Aber konnte es wirklich sein, dass sich auch Richter missbrauchen ließen? Heute muss ich leider sagen, es ist so. Es gibt hierfür Beweise. Kiesl wusste, was er sagte.
Der mysteriöse Tod des Leitenden Oberstaatsanwalts Jörg Hillinger
Am Vormittag des 26 . April 1999 ging es in der Augsburger Staatsanwaltschaft turbulent zu. Ihr Leiter Jörg Hillinger hatte soeben Generalstaatsanwalt Hermann Froschauer in München per Fax mitgeteilt, dass gegen den früheren Rüstungsstaatssekretär Holger Pfahls und die Thyssen-Manager Jürgen Maßmann und Winfried Haastert Haftbefehl erlassen worden sei. Die Haftbefehle lagen bereits bei den Polizeidienststellen. Etwa eine Stunde später klingelte bei Hillinger das Telefon. Der Generalstaatsanwalt untersagte ihm den sofortigen Vollzug der Haftbefehle, er wolle die Angelegenheit bis Anfang der folgenden Woche erst »sorgfältig prüfen«. In Wirklichkeit gab es da nicht mehr viel zu prüfen – die Haftbefehle waren vom Ermittlungsrichter bereits unterschrieben.
Als der zuständige Staatsanwalt Winfried Maier dagegen protestierte und auf den drohenden Vorwurf der Strafvereitelung hinwies, versprach Hillinger, nochmals mit dem Generalstaatsanwalt zu reden.
Kurz darauf erhielt Maier zu seiner Verblüffung einen Anruf des Anwalts von Holger Pfahls, der sich danach erkundigte, ob die Ermittlungen gegen seinen Mandanten fortgeführt würden. Maier gab eine ausweichende Antwort. Hillinger hatte inzwischen nochmals mit Froschauer telefoniert. In einem Aktenvermerk hielt er fest: »Nach erneuter Rücksprache mit dem Herrn Generalstaatsanwalt bestand dieser darauf,
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