Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
dann die Fälle, in denen die der Justizministerin unterstehende Staatsanwaltschaft oder sie selbst behauptet, es bestehe kein für ein Ermittlungsverfahren ausreichender »Anfangsverdacht« oder die Anhaltspunkte reichten für eine Anklageerhebung nicht aus. (Hypo Vereinsbank/Mollath, Geschwister Strauß/Erbschaftsmillionen-Aussage, Schottdorf, Doblinger-Fonds DOBA MTC usw.) Aber bei dem Häftling, der eine Briefmarke wiederverwendbar macht, da schlägt man sofort zu!
Der ihr sehr gewogene Edmund Stoiber hatte Beate Merk im Oktober 2003 ins Kabinett geholt. Ihr justizieller Lebenswandel spiegelt sich nach außen hin vornehmlich in der Süddeutschen Zeitung wider. Einmal warnt sie davor, dass die Gefangenen an nichts anderes denken als ans Ausbrechen. Ein anderes Mal möchte sie ein Delikt »Sportbetrug« (sprich: Doping) in das Straf gesetzbuch einfügen. Im August 2012 gibt sie sich besorgt wegen der in den Gefängnissen herrschenden Gewalt. Dann wiederum fordert sie eine Verlängerung der Verjährungsfrist für Sexualdelikte an Minderjährigen auf 20 Jahre.
Was Beate Merk nicht fordert, was aber dringend vonnöten wäre, ist eine Verlängerung der Verjährungsfrist für Amtsdelikte (wie zum Beispiel Rechtsbeugung, Strafvereitelung, Verfolgung Unschuldiger) auf ebenfalls 20 Jahre. Derzeit tritt die Verjährung schon dann ein, wenn die in der Regierung Verantwortlichen längere Zeit das Staatsruder in der Hand halten. Ebenso dringlich wäre es, die Strafverfolgung gegen Regierungsmitglieder und gegen hohe Beamte der Bundesanwaltschaft zu übertragen. Nach der bestehenden Rechtslage ist hierzulande eine Strafverfolgung faktisch ausgeschlossen, weil die Regierung gegenüber der Staatsanwaltschaft weisungsberechtigt ist. In anderen Ländern, wo diese unabhängig ist, werden sogar Ministerpräsidenten angeklagt, zum Beispiel Berlusconi in Italien, Olmert in Israel, Sanader in Kroatien. Hingegen wäre eine Strafanzeige gegen einen bayerischen Minister, Ministerialdirektor oder Generalstaatsanwalt völlig sinnlos, geschweige denn gegen einen Ministerpräsidenten.
Von Beate Merk ist vor der Landtagswahl 2013 noch manche pressewirksame Initiative zu erwarten, um sich auch für die Zukunft als Ministerin zu empfehlen – eine Verlängerung der Verjährungsfrist für Amtsdelikte aber bestimmt nicht. Warum sollte ihr dies ein Herzensanliegen sein? Um Amtsmissbräuchen in der Staatshierarchie wirksamer vorzubeugen? Dass sie härtere Strafen für Amtsdelikte gefordert hätte, davon war ebenfalls nichts zu hören.
Im Frühjahr 2012 startete Justizministerin Merk – vermutlich, um sich für die Kabinettsbildung nach der Landtagswahl 2013 in Positur zu setzen – eine erstaunliche Aktion, nämlich eine Umfrage über die Zufriedenheit mit der Justiz. Stolz präsentierte sie das Ergebnis: 70 Prozent der Bürger seien zufrieden. Das mag so sein oder auch nicht. Ihre persönliche Verantwortlichkeit für die himmelschreienden Justizskandale in bestimmten »politischen« Fällen lässt sich damit nicht wegretuschieren. Die breite Öffentlichkeit hat das Vertrauen zu ihr verloren.
Dass Horst Seehofer an ihr festhält, stellt ihn selbst bloß.
3 Zermürbung und Zwangspensionierung
Der Erlkönig lockt in Goethes gleichnamiger Ballade: »Du liebes Kind, komm, geh mit mir! Gar schöne Spiele spiel ich mit dir.« Dann droht er: »Und bist du nicht willig, dann brauch ich Gewalt.« Erlkönige sind in der staatlichen Hierarchie Wirklichkeit: Ministerpräsidenten, Minister und andere Träger eines Spitzenamts im Freistaat Bayern sind freundlich zu ihren Beamten, zeigen sich zugänglich und wohlmeinend, belohnen mit Beförderung. Wehe aber, es entsteht einmal eine Situation, in der ein Beamter sich weigert mitzumachen, weil das schöne Spiel gegen Recht und Gesetz verstößt, sogar strafbar ist. Dann kann es geschehen, dass ihm schweres Leid zugefügt wird. Der Beamte mag sich beschweren, bei Gericht klagen, sich an den Landtag wenden, vergeblich. Der Erlkönig ist zu mächtig, er schickt seine Getreuen vor. Sie verdecken seine Verfehlungen vor der Öffentlichkeit durch falsche Darstellungen und Zeugenaussagen, leiten Ermittlungs- und Disziplinarverfahren gegen den angeblichen Störenfried und Querulanten ein. Stellt er Strafanzeige, wird ihr keine Folge geleistet. Das alles zieht sich so lange hin, bis der Beamte körperlich und seelisch am Ende ist, erschöpft und ausgeschaltet. Erlkönig hat ihm ein Leid getan.
Einige dieser
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