Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
Fallgeschichten münden in einer Katastrophe: in schwerer Erkrankung, Zwangspensionierung oder gar Psychiatrisierung der Betroffenen. Häufiger sind die weniger spektakulären, aber üblichen Fälle der Diskriminierung wie beispielsweise Blockade der Beförderung, Versetzung an einen anderen Dienstort oder eine andere Dienststelle, Übertragung unter der Qualifikation liegender Aufgaben, Beschränkung der Arbeitsmittel, schlechte Beurteilung, Beleidigung. Hinzu kommen noch andere Mittel des Mobbings wie zum Beispiel laufende Anforderung unnötiger schriftlicher Berichte, ständige Beanstandungen, keine sachgerechte oder gar keine Antwort auf Beschwerdebriefe.
Der Ansbacher Polizeichef Werner Maluck
Werner Maluck war einst der oberste Polizeibeamte der Stadt Ansbach, dem Sitz der Regierung von Mittelfranken. Er war hervorragend beurteilt, an der Polizeischule lehrte er Beamtenrecht. Im Jahr 1980 verschwand eines Tages im Ansbacher Polizeipräsidium Munition, 97 Patronen vom Kaliber neun Millimeter, hergestellt von Heckler und Koch. Pflichtgemäß machte Maluck seinem Vorgesetzten, dem Polizeipräsidenten Helmut Kraus in Nürnberg, sofort Meldung. Als diese indessen wider Erwarten zu keiner Untersuchung führte, erstattete Maluck Strafanzeige gegen Unbekannt.
Bald darauf, im Dezember 1980 , wurden im nahen Erlangen der jüdische Verleger Shlomo Levin und seine Lebensgefährtin Frieda Poeschke erschossen in ihrem Haus aufgefunden. Die am Tatort entdeckten Patronenhülsen passten zu der Munition, die zuvor im Ansbacher Polizeipräsidium verschwunden war. Uwe Behrendt, ein Mitglied der neonazistischen Wehrsportgruppe Hoffmann, wurde der Tat verdächtigt, konnte sich aber in den Libanon absetzen, wo er angeblich in einem Wehrlager Selbstmord beging. Die Nürnberger Szenezeitung Plärrer berichtete außerdem, bei der Kriminalpolizei Ansbach habe es einen Verbindungsmann zu den Neonazis gegeben.
Das bayerische Innenministerium erklärte jedoch, die Tatsache, dass die in Erlangen verwendeten Patronen von der gleichen Art wie die in Ansbach verschwundenen waren, lasse nicht den Schluss zu, dass sie auch von dort stammten. Denn es habe sich um »Allerweltsmunition« gehandelt. Maluck sah das anders. Er verwies darauf, dass die Patronen mit Datum gekennzeichnet waren. Daher remonstrierte er gegen die seiner Ansicht nach unwahre Darstellung des Nürnberger Polizeipräsidenten. Er warf der Regierung vor, sie decke Neonazis. Daraufhin wurden gegen ihn ein Strafverfahren wegen Verleumdung und ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Doch unmittelbar bevor zwei der Ansbacher Polizeibeamten in dem Strafverfahren als Zeugen aussagen sollten, begingen diese Selbstmord – so die offizielle Mitteilung. Als indessen Maluck und sein Anwalt Einsicht in die Leichenakten nehmen wollten, wurde ihnen das verwehrt. Dies war äußerst befremdlich. Denn selbst wenn Maluck möglicherweise keinen Rechtsanspruch auf Einsichtnahme hatte, stand andererseits auch kein rechtliches Hindernis dagegen – schließlich war er der zuständige Polizeichef.
Die Affäre sollte sich noch in eine andere Richtung ausweiten. Maluck beschuldigte Innenminister Günther Beckstein, er habe früher als Rechtsanwalt einen bevorstehenden Polizeieinsatz, von dem er wegen seiner guten Beziehungen zur Staatsanwaltschaft erfahren habe, an seinen Mandanten, den berüchtigten Bordellkönig Stiegler, verraten. Dass Beckstein Stiegler überhaupt beriet, hatte einen üblen Beigeschmack, weil er damals als Landtagsabgeordneter Mitglied des Ausschusses für innere Sicherheit war. Ein Mann aus dem Umfeld Stieglers hatte eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, dass Beckstein die bevorstehende Razzia verraten habe und darüber hinaus von Stiegler für seine Dienste mit verschiedenen Geldzahlungen belohnt worden sei. Wie Maluck erfuhr, hatte die Steuerfahndung deshalb gegen Beckstein ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, aber dann »von oben« die Weisung erhalten, nicht zu ermitteln. Daraufhin, so heißt es, sei es in der Steuerfahndung Nürnberg geradezu zu einem Aufstand gekommen – der zuständige Steuerfahndungsbeamte sei so frustriert gewesen, dass er vorzeitig in Pension gegangen sei. Selbstverständlich sprach sich all das in der fränkischen Steuerverwaltung rasch herum.
Maluck forderte Beckstein öffentlich auf, gegen ihn Strafanzeige wegen Verleumdung zu stellen, wenn seine Beschuldigung falsch sei. Sonderbarerweise stellte Beckstein keine Strafanzeige, auch nicht
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