Wahn
errichtet haben, um Ihr Haus zu beschützen.«
Elsa lachte. »So habe ich das noch gar nicht gesehen, aber tatsächlich, Sie haben recht, es ist richtig, wir wollen Böses und Unglück von diesem Haus fernhalten.« Raphael stand auf und sagte: »Ich hole erst einmal den Kaffee, wir haben übrigens noch einen köstlichen Apfelkuchen, den Elsa gebacken hat.« Dabei schaute er Elsa zärtlich an. Während er in das Haus ging, sagte Elsa: »Übrigens habe ich wieder mit dem Studium angefangen, ich musste ja zweimal unterbrechen.« »Zweimal?«, fragte ich. Elsa berichtete, dass sie nach einer intensiven Psychotherapie jetzt endlich in der Lage wäre, optimistisch in die Zukunft zu schauen. Dann kam Raphael mit einem Tablett, verteilte das Kaffeegeschirr und brachte den Kuchen. Während wir um den Tisch herum saßen und den köstlichen Apfelkuchen genossen, entspann sich ein freundliches Gespräch. Ich sah, dass meine Frau sich in der Anwesenheit der jungen Leute sehr wohl fühlte. Plötzlich waren aus dem Haus einige leise, wimmernde Geräusche zu hören. »Haben Sie eine Katze?«, fragte meine Frau. »Wenn unsere Katze Hunger hat, wimmert sie auch immer so fürchterlich.« Raphael stand ohne Kommentar auf und ging ins Haus. Er kam mit einem weißen Bündel wieder. »Das ist unser Kätzchen«, sagte er strahlend. »Darf ich vorstellen, Fräulein Paula Nitsch, besser bekannt als Prinzessin Elsa die Zweite.«
DER SCHLÜSSEL
Michael Bornmeister war passionierter Segler und liebte lange Segeltörns. An seinem sechzigsten Geburtstag hatte er seinen großen KFZ-Betrieb an seinen Schwiegersohn übergeben. Er wollte noch aktiv sein Leben gestalten und nicht erst mit der Arbeit Schluss machen, wenn er zu alt wäre, um sein Rentnerdasein zu genießen. Nachdem er die Übergabe des Betriebes und die Feierlichkeiten anlässlich seines runden Geburtstages gut überstanden hatte, plante er, gemeinsam mit seiner langjährigen Lebensgefährtin Gudrun vier Wochen lang rund um Rügen und dann Richtung Bornholm zu segeln. Vorher, so war der geheime Plan, wollte das Paar in aller Stille auf der Insel Hiddensee heiraten, zunächst standesamtlich im Rathaus von Vitte, dann in der romantischen Kirche von Kloster. Sie starteten in Bremerhaven, wo seine kleine Yacht ihren Liegeplatz hatte, und segelten Richtung Osten. Beide waren bester Laune, das Wetter war wunderbar. Als sie von Warnemünde kommend im engen Fahrwasser zwischen Rügen und Hiddensee den Seglerhafen von Vitte ansteuerten, herrschte ein leichter ablandiger Wind. Herr Bornmeister war für einen Sechzigjährigen ziemlich fit. Ein letzter Gesundheitscheck bei seinem Internisten hatte in allen Bereichen normale Werte ergeben. Er war schlank, hatte einen normalen Blutdruck, war nicht zuckerkrank und seine Blutfette lagen im Normbereich. Jetzt saß er zufrieden lächelnd am Ruder, schaute auf die romantische, menschenleere Küste von Rügen und war mit sich und der Welt im Reinen. Seine Noch-Lebensgefährtin und baldige Ehefrau Gudrun brachte ihm einen Becher dampfenden Tees. Sie umsorgte ihn liebevoll, ohne dass er es als störend empfunden hätte. Sie war selbstständige Wohnungsmaklerin in ihrer Heimatstadt Osnabrück. Beide lebten schon seit mehr als acht Jahren in einem gemeinsamen Haus und freuten sich auf die Hochzeit. Er hatte bei einem Juwelier besonders wertvolle Eheringe ausgesucht, ferner noch das Collier eingepackt, welches zunächst seine Mutter, später seine vor mehr als fünfzehn Jahren bei einem Autounfall verstorbene erste Ehefrau getragen hatte. Kurz vor dem Gang zum Standesamt wollte er es Gudrun anlegen. Für den feierlichen Akt hatten sie neben ihrer sportlichen Segelbekleidung auch noch ein Kostüm für Gudrun und ein dunkles Jackett für ihn eingepackt.
Als sie den Leuchtturm von Hiddensee sehen konnten, der auf einer Anhöhe weit über das Meer schaute, bogen sie in das Fahrwasser in Richtung Vitte ein und sahen die weißen Häuser, die rund um den Hafen standen, immer näher kommen.
Der Termin beim Standesamt war am drauffolgenden Vormittag um elf Uhr. Sie hatten vor, am nächsten Morgen zunächst auf ihrem Boot zu frühstücken, sich dann ihre Hochzeitsgarderobe anzuziehen und ganz entspannt zum nahe gelegenen Rathaus hinüberzugehen. Nachdem sie angelegt hatten, gingen sie nur kurz an Land, um eine Fischsuppe zu essen. Abends saßen sie an Bord ihres Segelschiffs und schauten zu, wie nach und nach das Tageslicht abnahm. Obwohl sie sich vorgenommen hatten,
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