Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)
Amerikas« zu sein.
Auch in der Steuer- und Haushaltsdebatte haben sich die Lager entlang ihrer Frontlinien tief eingegraben. Obama will die Steuererleichterungen aus der Zeit George W. Bushs für Millionäre nicht verlängern. Die Konservativen wollen sie um jeden Preis bewahren. Zudem müssen sie sich auf Einsparungen im Haushalt einigen, die den öffentlichen Dienst und die Sozialausgaben treffen. Als der Präsident einer Fristverlängerung der Steuerrabatte als Kompromiss zustimmt und im Gegenzug weitere Hilfen für Langzeitarbeitslose durchsetzt, protestieren Linke wie Rechte dagegen. Tea-Party-Aktivisten dröhnen draußen, die Arbeitslosenhilfe erhöhe das Staatsdefizit, obwohl dies auch für die Steuernachlässe gilt – während im Parlament der linksliberale Senator Bernie Sanders aus Protest gegen die Schonung der Vermögenden bereits das Dauerreden probt, als wolle er im Alleingang die Abstimmung blockieren. Der »Deal« zwischen Präsident und Republikanern, prophezeit er über Stunden, lasse für Amerika denkbar Schlechtes ahnen. Da weiß er noch nicht, wie viele ähnliche Minimalkompromisse auf Obama und Boehner in diesem Jahr noch warten.
Was die Liberalen schmerzt, ist nicht nur der Verlust ihres Einflusses im Parlament seit der Niederlage bei den Midterm-Wahlen. Je weiter Obama den Republikanern entgegenkommt, um überhaupt noch handlungsfähig zu sein, desto mehr verlieren die Demokraten auch ihren Wortführer. Im neuen Washingtoner Kräftefeld könnten sie künftig als Erste überhört werden. Deshalb werden sie lauter.
Tatsächlich wiederholt sich von nun an der Showdown zwischen dem Weißen Haus und den Rechtskonservativen hinter dem neuen Abgeordnetenhaus-Präsidenten John Boehner fast im Wochentakt. Im April fürchten manche schon, die traditionelle Frühlingsparade in Washington könne ausfallen – als Folge eines Staatsbankrotts. Wegen des wachsenden Defizits, das bald die festgelegte nationale Höchstgrenze erreicht, verlangen die Rechten massive Einschnitte nicht nur bei den Sozialabgaben. Sie wollen die Zuschüsse für Schwangerschaftsberatung ebenso streichen wie die für öffentliches Radio – für viele Amerikaner der letzte Garant soliden journalistischen Handwerks. Die Umweltschutzbehörde und das Bildungsministerium wollen sie ganz schließen. Mehrheitsführer Eric Cantor fordert später gar, die Katastrophenhilfe für Opfer des Hurrikan »Irene« nur zu gewähren, wenn sie durch Einsparungen ausgeglichen werde – was ihm breite Kritik einbringt, nicht nur weil »Irene« die größten Schäden in den liberalen Bundesstaaten der Nordostküste anrichtete, sondern auch, weil Cantor solche Hilfen für seinen Heimatstaat Virginia immer gern bewilligt hat. »Wir sollten unserer Bevölkerung die Sicherheit lassen, dass Katastrophenhilfe nicht von engstirnigem Gezänk abhängt«, rügen ihn Abgeordnete wie Mary Landrieu aus Louisiana.
In der Partei ist es ein offenes Geheimnis, dass der auf den Mehrheitsführerposten nachgerückte Cantor nur auf einen Fehler von Parlamentschef Boehner wartet, um bald auch dieses Amt von ihm zu übernehmen. Die Tea Party komme ihm da als Steigbügelhalter gerade recht, klagen gemäßigte Republikaner. Das macht Cantor nicht beliebter, aber das Image des guten Strategen ist ihm wichtiger.
Als die Republikaner Obama erneut zu Zugeständnissen gezwungen haben, wirkt das Demokraten-Lager derart verunsichert, dass er es stützen muss. »Was wir zuletzt als Kompromiss beschlossen haben, ermöglicht uns weiter, in die Zukunft zu investieren«, wirbt er, »zugleich aber senken wir die Staatsausgaben in historischem Ausmaß.« Doch er zeigt auch Verständnis für ihre Enttäuschung. »Die Kürzungen sind schmerzhaft«, sagt er, »auch für mich.«
Auf der anderen Seite reklamiert Boehner für sich, dass seine Republikaner trotz aller Kritik die Handlungsfähigkeit der Regierung erhalten hätten. Zyniker hatten schon damit gerechnet, dass er unter dem Druck der Tea-Party-Abgeordneten den Haushalt sogar scheitern lassen würde. Und sei es nur, um ihnen zu beweisen, dass dies keine Politik sei, die ihnen Sympathien bringe. Zuletzt hatte Chef-Republikaner Newt Gingrich als Gegenspieler von Präsident Bill Clinton versucht, per Haushaltssperre auf ähnlich rabiate Weise gegen das Weiße Haus anzuregieren. Doch als die Nationalparks schlossen, Passanträge liegen blieben und der Müll sich in vielen Straßen häufte, straften die Wähler nicht den Präsidenten ab,
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