Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)
nur um mich schlagen«, sagt er und ballt die Fäuste. Niemand an seiner Seite habe das bisher lange ausgehalten. So viel Geduld habe nur Charly, der immer wiederkomme, auch noch wenn er ihn anschreie. Der Hund erwidert Davids Blick, die Hände entspannen sich, kraulen das schwarze Fell.
»Dass das keine Freundin erträgt, verstehe ich selbst«, sagt er, »ich habe ja nichts ernst genommen. Nichts von dem, was andere wichtig nahmen. Bei mir ging es ständig um Leben und Tod. Kleinigkeiten machen mich seitdem wütend. Dann gab es Streit, zu viel Geschrei, und ich war wieder allein.«
In einem nahen Park, wo David und Charly oft unterwegs sind, drehen wir Bilder der Umgebung. Die Mittagssonne spitzelt durch Pinienkronen. David wirft den Ball, der Hund bringt ihn wieder, als könne das Leben für beide nun tausend Jahre lang so weitergehen. Wahrscheinlich seien Kriege nur möglich, weil sich alles, was dort mit einem passiere, kaum mitteilen lasse, sagt er mir. »Selbst meine eigene Mutter konnte mich nicht mehr verstehen. Es ist, als müsstest du Blinden erklären, wie die Farbe Rot aussieht. Aber das Einzige, was du an Möglichkeiten hast, ist zu sagen, dass es nicht Blau ist.«
Im Industriegebiet am anderen Ende von Los Angeles begrüßen die Wärter eines Tierasyls Clarissa Black, die sie an ihren strohblonden Haaren schon erkennen, wenn sie durch den Eingang kommt. Vor drei Jahren hat sie »Pets for Vets« gegründet und darf hier inzwischen selbst die Zwinger aufschließen. Ähnliche Organisationen gibt es in anderen Bundesstaaten. »In diesem Land begehen täglich 18 Veteranen Selbstmord«, beklagt Clarissa. »Und alle acht Sekunden schläfern wir einen Hund ein. Warum nicht dafür sorgen, dass beide einander helfen?«
Mit prüfendem Blick geht sie die Zwinger ab, hinter denen nun Hunderte von aufgebrachten Tieren lärmen, vom Schoßhund bis zur Riesendogge. Jeder, der binnen Tagen keinen Neubesitzer findet, endet im Tötungstrakt. Heute sucht sie nach einem aktiven, sportlichen Tier. Ein Schäferhund weckt ihr Interesse. Als sie sich in den Käfig wagt, springt er an ihr hoch. Sie leint ihn an, führt ihn zum größeren Testkäfig, tastet sein Fell ab, prüft das Gebiss, sucht nach Zeichen von Misshandlung.
»Ich muss erst sehen, ob er lernwillig und gesund ist«, sagt sie, »und ob er dem Naturell desjenigen entspricht, für den ich ihn vorgesehen habe. Manche wollen einen aktiven Hund, weil sie lebhafte Menschen sind. Andere sind ruhigere Typen, oder sie kamen als Kriegsversehrte heim und können energische Hunde gar nicht gebrauchen.« Der Schäferhund ist ihr zu aufgedreht. Deshalb lässt sie ihn zurück.
Auf der Fahrt im Auto frage ich, ob sie darüber nachdenkt, was ihr Urteil für einen Hund bedeutet. Anfangs habe sie das oft getan, sagt sie. »Das ist schwierig, denn du beginnst ja, den Hund zu mögen, aber du ahnst, er passt nicht wirklich zu dem, zu dem er passen soll. Alles andere wäre nicht gut. Ich kann nun mal nicht jeden retten.«
In einem leer stehenden Wohnhaus beobachten wir, wie Clarissa Hunde auf ihren Einsatz vorbereitet. Sie lehrt sie zu warten und zu folgen, belohnt sie für jede richtige Reaktion mit Futterstückchen. Bezahlen muss sie für die Hunde nichts, das Tierasyl ist froh um jeden, den sie mitnimmt. »Seit Beginn der Wirtschaftskrise allemal«, sagt sie, »da werden weit mehr Haustiere abgestoßen als sonst.«
Auch die Veteranen müssen weder für Hund noch für die Vermittlung zahlen. Bisher reichen Clarissa die Spenden, die sie einnimmt, um das Projekt zu finanzieren. Und die Antworten ihrer Klienten. Im Büro liest sie mir vor, was ihr ein Exsoldat gerade geschrieben hat. »Der Hund und ich waren gestern spazieren«, steht da. »Es war das erste Mal seit Jahren, dass ich mich nicht einen Moment lang allein, schutzlos oder bedroht fühlte. Es ist das, was wir brauchen.«
David erging es ähnlich. Als Clarissa bei ihm nachfragt, ob mit ihm und Charly alles in Ordnung sei, berichtet er von einer Schrecksekunde, weil der Hund Rattengift gefressen hatte. Der Tierarzt konnte ihm noch eben rechtzeitig den Magen leeren. David hatte schnell reagiert. Es war seine alte Welt. Es ging um Leben und Tod.
Zukunftskriege
Dass auf den Schlachtfeldern der Zukunft bald sowohl Soldaten als auch der Bombenhagel fehlen könnten, lerne ich bei einer langen Recherche für eine Fernsehdokumentation über den Krieg via Internet – oder wie die Fachwelt lieber sagt: im
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